5S ist der Klassiker im Lean Management und die Einstiegsmethode mit weiter Verbreitung in der Mehrzahl der Unternehmen – zumindest, was die formale Implementierung angeht. Kaum eine Methode wird aber auch so häufig missverstanden, unzureichend umgesetzt und nicht ausreichend im Mindset einer Organisationskultur verankert wie eben 5S.

Kein Wunder, denn die Methode oder die Management-Philosophie 5S ist doch vordergründig leicht verständlich und einfach nachvollziehbar, so dass 5S schnell „mal eben“ eingeführt werden kann. Hinzu kommt, dass 5S erst dann wirklich seine Wirkung entfaltet, wenn die fünf Schritte konsequent bis zum Ende durchgezogen und umgesetzt wurden. Auch sind die Wirkungen nur schwerlich monetär messbar.

Einige Firmen haben eigene Varianten der 5S-Methode entwickelt. Manchmal gibt es ein sechstes „S“ wie beispielsweise den Punkt „Sicherheit“. Dagegen spricht erst einmal nichts. Wesentlich bleibt dennoch der Fokus auf den Kern der Methode.

 

Seiri – das Aussortieren

Unnötige und nicht mehr gebrauchte Gegenstände werden mit dem ersten „S“ aussortiert. Dies schafft Platz und Raum. Wie häufig wird nicht nach einem weiteren Lager oder mehr Speicherkapazität auf den Servern verlangt? Mit Seiri wird alles Unwesentliche entfernt. Hierbei kommt es immer mal wieder zu einem Schmerz bei der Trennung von alten Gegenständen, an die sich einzelne Personen getreu dem Motto „Haben ist besser als brauchen“ klammern. Doch zu viel Unnötiges versperrt den Weg zum effizienten Arbeiten. Und so ist es auch vollkommen egal, wo mit 5S begonnen wird. Im Büro, in der Produktion, im Lager, auf den Servern: Überall gibt es einen Fundus an Überflüssigem. Und wer sich unsicher ist, ob ein Gegenstand noch gebraucht wird, kann diesen ganz einfach auf einen gesonderten Haufen legen und für eine gewisse Zeit schauen, ob er noch benötigt wird oder eben nicht.

Der ganz entscheidende Trick beim ersten „S“ ist aber ein anderer. Es ist ein Punkt, den so gut wie alle Kaizen-Moderatoren und Organisationen falsch machen. So wird in der Regel die Frage gestellt: „Was kann weg?“ Dann überlegt die Gruppe und kommt auf dieses und jenes. Stellen Sie die Frage aber anders, so werden Sie erfahrungsgemäß locker um den Faktor fünf bis zehn mehr Aktionen und Ideen herausbekommen. Die Kernfrage sollte nämlich lauten: „Was muss passieren, damit das wegkann?“ Dabei wird jeder, wirklich jeder Gegenstand physisch in die Hand genommen und dabei genau ebenjene Frage gestellt.

Das Ergebnis ist beeindruckend, denn auf einmal geht es nicht mehr nur um ein paar alte Unterlagen hier und einen neuen Papierkorb dort, sondern sehr schnell wird der Kern der internen Prozesse erreicht als Basis einer künftigen prozessualen Excellence. Nehmen Sie also konsequent jeden Gegenstand zur Hand und stellen Sie alles in Frage. So gelangen Sie mit 5S an den Kern Ihrer Prozesse.

Das Aussortieren des Unwesentlichen ist
der Kern aller Lebensweisheit.
Laotse

Seiton – das Ordnungschaffen

Mit Seiton bekommen nun alle Gegenstände, die übrig geblieben sind, ihren festen Platz. Nichts fliegt mehr einfach so herum. Es ist klar definiert und klar gekennzeichnet. Dabei geht es eben nicht nur um ein paar Schattenwände, die in der Produktion aufgehängt werden. Es geht vielmehr um ein ganzheitliches Layout-Konzept unter Berücksichtigung aller Wege und der individuellen Arbeitsplatzergonomie. Hier wird in der Regel ebenfalls viel zu kurz gesprungen. Mit ein paar Bodenmarkierungen ist es nicht getan. 5S ist aufwendige Fleißarbeit. Klar, dass es selten wirklich gut gemacht wird, denn wer hat schon Lust auf vermeintlich langweilige Hausarbeiten, wo das tagesaktuelle Feuerwehrmanagement doch so wunderbar ablenkend ruft.

Wenn Sie Seiton gut umsetzen wollen, dann nehmen Sie sich Zeit für eine umfassende Analyse aller Bewegungen und Bewegungsabläufe. Es geht dabei nicht um Zeitaufnahmen oder darum, dass Mitarbeiter schneller arbeiten sollen. Im Gegenteil. Es geht ausschließlich darum, dass es allen Mitarbeitern einfacher gemacht wird, sich auf den Kern zu fokussieren. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass eine Fabrik komplett umgestaltet oder im kleineren Maßstab ein Software-Interface so angeordnet wird, dass die Wegstrecken des Mauszeigers verkürzt und minimiert werden. Anwendbar ist Seiton auf sehr vielen Feldern.

 

Seiso – das Säubern

Mehr als nur sauber. Mit Seiso kann anschließend sprichwörtlich vom Boden gegessen werden. Und das hat auch einen handfesten Grund, denn auf schmutzigen Anlagen wird eine Leckage einfach nicht so schnell entdeckt. Besonders im Total Productive Maintenance ist es von entscheidender Bedeutung, zur vorbeugenden Instandhaltung eben keine Lecks oder sonstigen Verschleißerscheinungen zu akzeptieren. Tipptopp gewartete Anlagen bieten nun einmal ein höheres Maß an Wohlbefinden und Arbeitssicherheit. Selbstverständlich gibt es Produktionsprozesse, bei denen es alles andere als sauber und klinisch rein zugeht. Ja! Und dennoch ist dies kein Grund, um nicht technisch kreativ zu werden und Verschmutzungen eben zu vermeiden, wo immer es geht. Denn erfahrungsgemäß steigt auch die Produktivität, wenn vermeintlich selbstverständliche Verschmutzungen eben nicht akzeptiert werden, sondern bis an die Grenzen der eigenen Kreativität  und der technischen Machbarkeit vermieden werden.

 

Seiketsu – das Standardisieren

Spätestens ab hier nimmt die Umsetzungsleidenschaft in Sachen 5S bei der überwältigenden Mehrheit der Unternehmen ab. Vor dem Standardisieren drückt sich fast jeder. Es ist eine unliebsame Aufgabe und eher ein Pflichtprogramm für viele. Das muss aber nicht sein.

Denn Seiketsu ist immer dann wirksam, wenn eben nicht nur ein paar Bilder hingehängt werden, die zeigen, wie es denn sein sollte. Das bringt sehr wenig und ist den Aufwand nicht wert. Vielmehr geht es hier um eine wichtige Grundlage für das Wissensmanagement und die Personalentwicklung in vor allem prozessualen Kompetenzen, welche die Basis sind für das kommende fünfte „S“.

Ein ganz wesentlicher Hebel ist die Definition von sogenannten Standard-Standards. Diese sind nichts anderes als Standards dafür, wie alle anderen Standards erstellt werden sollen. Dazu eignet sich eingangs ein gemeinsamer Workshop, zum Beispiel zum Thema Design Thinking, um so den Standard für alle weiteren Standards zu definieren. Dies bringt Klarheit und vereinfacht die Erstellung.

Dabei sollte die Zielgruppe immer fest im Blick behalten werden. Bilder oder eine virtuelle Realität unterstützen die Anwendbarkeit mittels Visualisierung. So gibt es heute Lösungen, welche beim „Picken“ der Lagerlisten das Fach mit entsprechenden Lampen farbig kennzeichnen, aus welchem das nächste Teil entnommen werden soll. Es geht bei der Standardisierung neben der Vereinfachung der Abläufe auch und gerade um die Fehlervermeidung durch Klarheit, um so effizienter und prozesstreuer arbeiten zu können.

Ohne Selbstdisziplin kein Erfolg.
Packen Sie es an!

Shitsuke – die Selbstdisziplin

Shitsuke ist die hohe Kunst der 5S. Kaum eine Organisation schafft es bis zu diesem Reifegrad. Dabei reicht es nicht, wenn Führung predigt, dass alle bitte mehr Verantwortung übernehmen. Das dauert keine fünf Minuten und die Ansage ist wieder vergessen. Vielmehr geht es hier um eine Systematisierung der dauerhaften Umsetzung, Anwendung und Verbesserung des bislang Erreichten.

Dazu helfen unterschiedliche Ansätze von Informationskaskaden mit Steuerungssystemen, Visualisierung mit Andon, Klärung von Verantwortlichkeiten mittels RACI, Maßnahmen des Wissensmanagements sowie ein Trainingssystem zur Vermittlung prozessualer Kompetenzen, um einige Beispiele zu nennen.

Organisationen beschränken sich gerade beim fünften „S“ zu sehr auf das Mahnen und Hinterherrennen. Dabei liegt die Kraft eher in den systemischen Maßnahmen wie oben beschrieben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 5S auch deshalb unterschätzt wird, weil es nicht konsequent und stringent genug umgesetzt wird. Es greift eine selbsterfüllende Prophezeiung. Die Firmen erzielen mit „ein bisschen Ordnung und Sauberkeit“ nicht den Effekt, den die Methode aus dem Lean-Management-Baukasten erreichen könnte. 5S klingt sehr einfach, aber wie so oft scheitert es dann eher in der Umsetzung. Dabei ist gerade 5S sehr kulturprägend für ein gründliches, crossfunktionales sowie mitarbeiter- und kundenzentriertes Arbeiten. Packen Sie es an. Gerne geben wir Ihnen die notwendigen Startimpulse zur erfolgreichen Implementierung.