Überblick
Die Rüstzeit ist – im Kontext von Lean Management – eine elementare Kennzahl für den Shopfloor und bringt Klarheit über einen nicht unerheblichen Teil der Verfügbarkeitsverluste von Anlagen. Sie beinhaltet alle Aktivitäten, die notwendig sind, um Maschinen auf die neuen Produktionsanforderungen vorzubereiten – von der Änderung von Werkzeugen und Vorrichtungen bis hin zu Tests und Anpassungen.
Während der Rüstzeit ist die Anlage unproduktiv, so dass eine Methode zu ihrer systematischen Reduzierung entwickelt wurde: SMED – Single Minute Exchange of Die – Rüsten im einstelligen Minutenbereich. Eine Echtzeiterfassung der Rüstzeiten sowie ihre Visualisierung bilden die Grundlage für die Ableitung von Maßnahmen, um kontinuierlich an ihrer Reduzierung zu arbeiten.
Durch Reduzierung der Rüstzeiten lassen sich bislang ungenutzte Kapazitätspotentiale der jeweiligen Anlage heben. In Betracht gezogene Neuanschaffungen und die damit einhergehenden Investitionskosten lassen sich so oft vermeiden.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass darüber hinaus unter Rüstzeiten allgemein auch Zeiten verstanden werden können, die zum An- und Ausziehen von Arbeitskleidung oder für das Einrichten von Arbeitsmitteln, z. B. das Hochfahren des Computers bei Arbeitsbeginn benötigt werden.
Konzept
Unter Rüstzeit wird die Zeit verstanden, die zwischen dem letzten Gutteil eines Auftrags und dem ersten Gutteil eines Folgeauftrags in der geforderten Geschwindigkeit vergeht.
Ziel ist es, Rüstzeiten zu reduzieren und möglichst viel wertschöpfende Zeit zu gewinnen. Dazu gehört die Standardisierung von Arbeitsabläufen, die Reduktion von Wechselaufträgen, die Vorbereitung von Werkzeugen, Vorrichtungen und Materialien sowie die Optimierung von Setup- und Umrüstprozessen durch Methoden wie SMED.
Die Messung der Rüstzeit kann mit Hilfe von manuellen oder digitalen Methoden erfolgen. Dazu gehört die händische Zeitaufzeichnung während der Rüstvorgänge. Eine digitale Zeitmessung ist häufig das Mittel der Wahl in modernen Fertigungsumgebungen. Softwarelösungen und Sensoren erfassen die Rüstzeiten automatisch und stellen sie in Echtzeit dar. Auch Videoanalysen mit Hilfe von Kameras und speziellen Softwaretools können eine detaillierte Untersuchung der Rüstzeit ermöglichen, indem alle Schritte visualisiert werden.
Es ist ratsam, Rüstzeiten regelmäßig, aber zu verschiedenen Tageszeiten und unter verschiedenen Bedingungen zu messen, um genaue Durchschnittswerte zu ermitteln. Die Messwerte sollten in bestehende oder zu schaffende Management-Strukturen (z. B. Daily Stand-ups) eingebunden sein, um bei Abweichungen Gegenmaßnahmen abzuleiten und deren Umsetzung nachzuverfolgen.
Hinweis: Bevor aufgrund von Messwerten bzw. sich aus ihnen ergebenden Abweichungen Maßnahmen abgeleitet werden, wird die Fähigkeit des verwendeten Messsystems mittels einer Messsystemanalyse (MSA) validiert.
Nachdem die Rüstzeiten gemessen wurden, müssen die Ergebnisse so aufbereitet werden, dass sie leicht interpretiert und zur Entscheidungsfindung genutzt werden können. Die grafische Darstellung von Rüstzeiten kann auf verschiedene Weisen erfolgen.
Ein Histogramm ist eine Möglichkeit, die Verteilung der Rüstzeiten darzustellen. Es zeigt, wie häufig bestimmte Rüstzeitlängen auftreten, und hilft dabei, Muster und Ausreißer zu identifizieren.
Zeitstrahl- oder Verlaufsdiagramme sind geeignet, um den Verlauf von Rüstzeiten über verschiedene Produktionszyklen hinweg darzustellen. Hier wird jede Rüstzeit auf einer Zeitachse eingezeichnet, um den Verlauf und mögliche Schwankungen sichtbar zu machen.
Die Pareto-Analyse basiert auf dem 80/20-Prinzip und zeigt, welche einzelnen Ursachen einen Großteil der Rüstzeiten ausmachen. Durch die Fokussierung auf diese wenigen dominierenden Faktoren lässt sich eine signifikante Reduktion der Rüstzeiten erzielen.
Boxplots geben eine prägnante Übersicht über die Verteilung der Rüstzeiten, indem sie Median, Quartile und Ausreißer darstellen. Sie eignen sich gut, um die Variabilität der Rüstzeiten zu erfassen.
Im Kontext von Lean Management werden kurze Rüstzeiten (Quick Changeovers) angestrebt. Zu diesem Zweck kommt die SMED-Methode zum Einsatz. Die daraus hervorgehenden Soll-Rüstzeiten lassen sich im Rahmen des Shopfloor-Managements (SFM) nutzen, um sie den Ist-Rüstzeiten gegenüberzustellen – z. B. mittels eines Andons – und so Abweichungsmanagement betreiben zu können.
Auch in einen Gemba-Walk lassen sich Rüstzeiten bzw. Unterschiede zwischen Soll und Ist einbinden, indem beispielsweise Rüstvorgänge im Rahmen von Prozessbeobachtungen hinsichtlich ihrer Dauer untersucht werden. Beobachtete Abweichungen nach oben führen dann zu Nachschulungen, während Unterschreitungen der Soll-Dauer die Entwicklung neuer, optimierter Standards im Rahmen von Kaizen anstoßen können.
Mehrwert
Die Steuerung der Rüstzeiten und ihre fortwährende Reduzierung im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) bringen zahlreiche Vorteile für das Unternehmen mit sich.
Kurze Rüstzeiten sorgen für Flexibilität im Fertigungssystem. So ist es für Unternehmen möglich, flexibel auf Marktanforderungen und Änderungen der Nachfrage zu reagieren, ohne dass – auch bei kleineren Losgrößen – lange Ausfallzeiten die Folge sind.
Durch verkürzte Rüstzeiten stehen die Maschinen weniger still, was zu einer höheren Gesamtanlageneffektivität (OEE) und schließlich zu einer höheren Gesamtproduktivität führt.
Schnellere Umrüstungen verringern die Wartezeiten zwischen den Produktionsläufen und reduzieren die Durchlaufzeiten, was besonders in hochvariablen Produktionsumgebungen von Vorteil ist.
Reduzierte Stillstandszeiten führen zu sinkenden Produktionskosten sowie zu einer geringeren Notwendigkeit, große Bestände an Vorprodukten oder Materialien vorzuhalten. Der Bedarf an großen Lagerbeständen wird reduziert.
Die Standardisierung und Systematisierung des Umrüstprozesses hilft dabei, Fehler zu minimieren, was zu einer höheren Produktqualität führt.
Insgesamt trägt die Reduzierung der Rüstzeiten maßgeblich zur Steigerung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens bei, da Produktionsprozesse flexibler, schneller und kostengünstiger gestaltet werden.
Zusammengefasst liegen die Vorteile kurzer Rüstzeiten also auf der Hand: erhöhte Flexibilität, höhere Maschinenverfügbarkeit, reduzierte Kosten sowie verbesserte Qualität in Produkten und Prozessen.