Für Entscheidungsträger in Unternehmen ist das Spannungsfeld zwischen kurzfristigem Gewinn und einer stetigen Organisationsentwicklung ständig präsent. In einer kritischen Situation wie der derzeitigen Gaskrise ist der Bedarf nach direkt wirkenden Maßnahmen umso größer. Schnell wird der Rotstift gerade bei internen Verbesserungsprojekten angesetzt und stattdessen in einem Anflug von Aktionismus nach der einen rettenden Wunderwaffe gesucht.

Doch solche Silver Bullets gehören aus gutem Grund ins Genre der Fantasy. In der Realität gefährden sie die langfristige Organisationsentwicklung.

Die Suche nach den Silver Bullets beschreibt die gängige Managementpraxis, bei der kurzfristig erzielbare Einsparungen mit möglichst geringem Aufwand erreicht werden sollen. Häufig handelt es sich dabei um eine technisch raffinierte Idee oder eine Prozessanpassung. Aufwand und Nutzen sind meist einigermaßen verlässlich kalkulierbar und die Umsetzung folgt einer klassischen Projektlogik. Der Ideengeber kann im günstigen Fall mit einer Prämie rechnen und profitiert damit singulär von der Verbesserungsmaßnahme. Dadurch hat ein Silver Bullet Gewicht auf der Saving-Skala und wird im Management gerne genutzt, um kurzfristige Einsparungen für die relevanten Stakeholder auszuweisen.

Die Kehrseite der Medaille liegt darin, dass die methodische Kompetenz der Organisation dadurch kaum gefördert wird. Wenn sich dann zunächst erfolgversprechende Konzepte in der Ausarbeitung als wesentlich aufwendiger und weniger ertragreich herausstellen, bleiben kaum Möglichkeiten für eine alternative Lösung. Die Gefahr einer unangenehmen Korrektur von anvisierten Einsparungen ist gegeben.

Die Gefahr, dass eine Silver Bullet danebentrifft, ist durchaus real.

Darüber hinaus bleibt bei einer Silver-Bullet-Strategie die große Herausforderung, die strategische Stringenz und Kompatibilität aufrechtzuerhalten, wenn kurzfristige Einsparungen aus zahlreichen parallelen Verbesserungsinitiativen abgeleitet werden. Daher sind Unternehmen gut beraten, neben kurzfristig notwendigen Maßnahmen den eingeschlagenen langfristigen Entwicklungspfad nicht gänzlich zu verlassen.

Denn auch wenn der Ergebnisdruck steigt und das Unternehmen unter Überlast ächzt, benötigt es grundsätzlich eine langfristig ausgerichtete Strategie, um im Marktsegment erfolgreich zu sein. Statt auf eine Strategie der Silver Bullets zu setzen, fokussiert Operational Excellence (OpEx) den Aufbau von Verbesserungsstrukturen, die mit einer wesentlich konstanteren Wahrscheinlichkeit Einsparpotentiale aufdecken und heben können.

Bildlich gesprochen baut OpEx ein Magazin als System auf, mit dem zahlreiche Bullets kontinuierlich geladen und systematisch in der Organisation abgefeuert werden können.

Um diesen systematischen Ansatz zu verfolgen, werden bei Verbesserungsinitiativen nicht einfach nur singuläre Ergebnisse aufgegriffen. Vielmehr gilt es, sie damit in Einklang zu bringen, dass beteiligte Personen sowohl die Kompetenz erlangen als auch die Strukturen implementieren, damit weitere Potentiale verlässlich gehoben werden können. Es wird Schleife für Schleife ein Zyklus etabliert und weiterentwickelt, anhand dessen Potentiale systematisch analysiert, priorisiert, mit Ideen belegt und diese stringent und wirksam umgesetzt werden. Durch die finale Standardisierung und Befähigung der Organisation ist der Kreislauf geschlossen.

Aus Sicht der Transformation ist dies der wesentlich effektivere Weg, dauerhafte Erfolge aus der tatsächlichen Befähigung der Organisation und auf Basis von implementierten Strukturen zu erzielen. Die Routine nimmt zu und die nächste Einsparung wartet schon um die Ecke.

Kurzfristige Erfolge und strategische Kongruenz schließen sich dabei nicht aus.

Gerade die schnell erzielbaren Erfolge geben den Entscheidern die notwendige Sicherheit, um die Rahmenbedingungen für einen systematischen Verbesserungsprozess auch langfristig zu setzen und aufrechtzuerhalten. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Suche nach den Silver Bullets, da es Kontinuität benötigt, um Verbesserungsstrukturen wachsen zu lassen. Die Ergebnisse mögen anfangs bei Silver Bullets schneller greifbar sein. Mittel- und langfristig setzen sich jedoch verlässlich die systematischen Ansätze durch und liefern höhere Erträge.

Je weiter eine Organisation im OpEx-Reifegrad voranschreitet, desto mehr etablieren sich feste oder temporäre Teams, die kontinuierlich an Verbesserungsthemen arbeiten. Damit lassen sich Kapazitätsengpässe vermeiden und ein selbstverstärkender Effekt tritt ein, in dem die Teams immer weitere Verbesserungspotentiale heben und immer mehr Ressourcen in die Verbesserungsarbeit integrieren. Dieser selbstskalierende Effekt ist bei der Strategie der Silver Bullets nicht möglich und zwingt die Organisation folglich dazu, permanent die Prioritäten und Themen anzupassen, um die Arbeit an Einsparungen zu ermöglichen. Böse Zungen nennen ein solches Vorgehen Aktionismus.

In der Strategie der kontinuierlichen Verbesserung (KVP), die OpEx verfolgt, liegt der weitere wesentliche Vorteil darin, dass sich die eigene Wissensgrenze der Organisation stetig erweitert. Das bedeutet, dass Unternehmen mehr und mehr Möglichkeiten für Verbesserungen erkennen und die Bereitschaft steigt, auch radikale Denkansätze zu verfolgen. Daraus resultiert ein Mindset, sich nicht mit der erstbesten Idee zufriedenzugeben und stattdessen Best-Practice-Ansätze aus anderen Bereichen zu erkennen und zu nutzen. Dadurch erzielen Unternehmen mitunter höhere Einsparungen als anfangs kalkuliert.

Mag die Versuchung besonders in Krisenzeiten auch groß sein, sich bei der Lösung von Herausforderungen auf Silver Bullets zu verlassen – geben Sie ihr nicht nach!

Handeln Sie weiterhin vorausschauend und behalten Sie den Fokus auf der Befähigung und Entwicklung der Organisation.

Statt die Handlungsperspektive zu sehr auf kurzfristige Einsparungen zu lenken und dadurch womöglich systemisch wirkende Verbesserungsinitiativen zu gefährden, setzen Sie weiterhin auf den kontinuierlichen Verbesserungsprozess von Operational Excellence. Er wirkt – nachhaltig.