Bei aller Notwendigkeit von Methoden und entsprechender methodischer Expertise wird vor allem im Lean Management immer wieder ein Punkt erreicht, der außerhalb der eigenen Komfortzone liegt: die Umsetzung.

Ungeliebt und viel zu häufig unzureichend ausgeführt, landen ansonsten gute Ideen allzu schnell auf dem Scheiterhaufen der Totschlagargumente und Prokrastination. Führung kommt spätestens hier gerne und schnell an die eigenen Grenzen. Und so hat ein Projekt in unzähligen Kaizens zwar tausende Ideen und Verbesserungsansätze hervorgebracht, doch die Umsetzung bleibt auf der Strecke. An dieser Stelle zeigt sich einmal mehr, warum Operational Excellence sowie Führung und Kultur letztlich zwei Seiten ein und derselben Medaille sind.

 

Umsetzung ist der Schlüssel zum Erfolg

Methoden helfen, Methoden stützen, Methoden moderieren und ergründen, sie klären und zeigen auf, ermöglichen Prioritäten und schaffen Fokus. Doch umgesetzt werden müssen die Ideen am Ende doch. Dabei kommen von Seiten der Führung allzu häufig der Wunsch und die Erwartung nach einer eierlegenden Wollmilchsau auf. Wascht mir den Pelz, aber macht mich nicht nass. Das Projekt soll es richten und Führung sollte sich aus Sicht der Führungskraft gar nicht in Konflikte und Richtungsentscheidungen begeben müssen. Dabei steht doch eins ganz klar fest: Unterstützt und entscheidet die Führung zu wenig, ist das unterlassene Hilfeleistung am Team, an den einzelnen Mitarbeitern und der Organisation.

Daher kommt der Umsetzung – und wir sprechen hier ja noch nicht einmal von der langfristigen Erfolgsabsicherung durch Standards und Trainings – eine ganz entscheidende Hebelwirkung zu. Denn ohne Umsetzung machen selbst die am besten moderierten Workshops einfach keinen Sinn.

Dabei ist es gar nicht so schwer. Führung muss sich einfach nur auf die operative Führung in den Untiefen der Organisation einlassen, sich kümmern, sich einmischen, sich interessieren, statt in Meetings fernab der Herausforderungen zu diskutieren. Gemba nennt sich dieses Prinzip. Hingehen und vor Ort mit den handelnden Personen sprechen statt über selbige.

 

Aktionen machen Verbesserungen

Gute Führung sorgt dafür, dass alle Verbesserungsaktionen bewertet und priorisiert werden. Hierzu lassen sich sehr leicht Kategorien wie Aufwand, Nutzen oder ein Risiko der Nichtumsetzung heranziehen. Dabei kann die Priorisierung durch ein Verbesserungsteam nach vorab definierten Regeln erfolgen, welches dann für ein konsequentes Aktionsmanagement verantwortlich ist. Hierfür haben sich in etlichen Projekten gerade die modernen digitalen Aktionslisten-Apps im Kanbanstil hervorragend bewährt. Gute Digitallösungen verfügen über ein Gantt-Chart, Aktionszuweisungsmöglichkeiten, Fristen und Termine sowie eine Chat-Funktion. So lässt sich relativ leicht ein System bauen, in dem wenige Mitarbeiter die Umsetzung der Gesamtheit aller Ideen unterstützen und moderieren.

Wenn dies noch mit einer crossfunktionalen Kurzintervallsteuerung durch die Führungsebene ergänzt wird, so liefert das Multimaßnahmenmanagement der Einzelaktionen in Kombination mit digitalen Anwendungen eine solide Basis für eine effiziente Umsetzung. Auf diese Weise wird schnell die erste Grundlage eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses geschaffen, der vielleicht zu Beginn etwas holprig läuft, da die entsprechenden Mitarbeiter noch nicht abschließend geschult sind und der Prozess selbst eventuell noch Lücken hat. Aber er funktioniert. Und das ist das Wichtigste. Gibt doch der frühe Erfolg dem System die notwendige Legitimation.

Wie soll Veränderung anders stattfinden als außerhalb der Komfortzone?

Kein Halt vor Herausforderungen

Und so ist es entscheidend und wichtig, dass gerade dort, wo Arbeitspakete durch Process-Excellence-Ansätze als Teil der Lean-Management-Methodenwelt entschlackt und entlastet werden, die frei werdenden Ressourcen sehr zeitnah und schnell Aufgaben der kontinuierlichen Verbesserung übernehmen. Hier sind Führungskräfte häufig zu zögerlich. Aber wie soll Veränderung anders stattfinden als außerhalb der Komfortzone, auch wenn dies eine kurzfristige Unsicherheit und Mehrbelastung für die Organisation bedeutet? Hier braucht es die Ruhe und Souveränität einer erfahrenen Führungskraft, was besonders dann sehr gut gelingt, wenn die entsprechende Person sich im Vorfeld auf die Kraft der Methoden und deren saubere Anwendung eingelassen hat.

Probleme kommen durch die Tür und haben zwei Beine, so könnte das Dilemma der Nichtumsetzung beschrieben werden. Denn allzu oft lassen sich Mitarbeiter und Organisationen ablenken durch die bekannten und dringenden Verlockungen des Tagesgeschäfts. Es ist wie mit dem Abnehmen oder dem Rauchverzicht. Das Heute im Hier und Jetzt ist vielen von uns näher als die Wichtigkeit der mittel- und langfristigen Veränderung. Nur wird systemisch und kontinuierlich das Dringende dem Wichtigen vorgezogen, so wird alles Wichtige irgendwann einmal dringend. Und so entgleitet denjenigen die Handlungshoheit schnell, die zum Getriebenen der eigenen vergangenen Handlungen oder gerade eben Nicht-Handlungen werden.

Allzu gerne wird dabei versucht, Abkürzungen zu gehen. Wir sind anscheinend darauf getrimmt, in Lösungen zu denken. Hier hilft Design Thinking als Grundprinzip einer Denkweise, die eben den Problemraum, also das tiefe Verständnis der Herausforderung unter Berücksichtigung einer konkreten Fragestellung in den Vordergrund stellt und eben nicht in Schnellschusslösungen denkt. Das verschafft Zeit zum Verstehen und Durchdringen. Zeit für einen klaren Standpunkt. Und Zeit für dann gemeinschaftlich erarbeitete bessere Lösungen.

 

Eine Bereitschaft, anders zu arbeiten

So lässt sich signifikant leichter eine Organisation in Gänze einbinden, statt die Aufgaben nur an die jeweils nächste Führungsebene zu verteilen. So lassen sich auch mehr Potentiale durch die Methoden heben, die bei dogmatischer Anwendung schnell übergestülpt wirken. Es braucht hier lediglich ein Sich-Einlassen. Eine Bereitschaft, anders zu arbeiten. Weniger Aktionismus, weniger Drama, mehr Ruhe und Bedacht sowie eine stringente und kompetenzzentrierte Umsetzung sorgen zwar auch nicht dafür, dass sich alle Probleme von heute auf morgen in Luft auflösen. Aber zumindest gelingt so mittelfristig eine deutlich gesteigerte Umsetzung, die die Menschen in der gesamten Organisation mitnimmt und erfasst. Dafür lohnt es doch, sich zu engagieren.