Überblick

 

Die Vermeidung von Verschwendung bei allen Aktivitäten ist das Kernziel im Lean Management. Das Konzept der drei Mu Muda, Mura und Muri beschreibt dabei einen umfassenden Ansatz, den Wertschöpfungsanteil zu steigern. Grundlage dafür ist die Eliminierung von nutz- oder wirkungslosen Tätigkeiten (Muda), inkonsistenten beziehungsweise unausgetakteten Prozessen (Mura) sowie Überbeanspruchung oder Unterlastung von Mensch und/oder Maschine (Muri).

Die Kategorie Muda lässt sich nochmals unterteilen in die sogenannten sieben Arten der Verschwendung, welche häufig mit dem Akronym TIMWOOD umschrieben und im Folgenden näher erläutert werden.

Der Wertschöpfungsanteil lässt sich steigern, indem jegliche Arten von Verschwendung, das heißt nicht wertschöpfende Tätigkeiten, konsequent identifiziert und anschließend so vollständig wie möglich eliminiert werden. Bei der Identifikation von Verschwendung hilft es, die verschiedenen Arten von Verschwendung (TIMWOOD) zu unterscheiden:

T für Transport

I für Inventory (Bestände)

M für Motion (Bewegung)

W für Waiting (Wartezeiten)

O für Overproduction (Überproduktion)

O für Overprocessing (Überbearbeitung)

D für Defect (Fehler)

TIMWOOD

Verschwendung kommt gleichermaßen in der Produktion wie auch in der Verwaltung und im Vertrieb vor, auch wenn sie in der Administration und in den digitalen Systemen oftmals unterschätzt und übersehen wird. Darum eignet sich TIMWOOD universell für die Verschwendungsanalyse in allen Unternehmensbereichen und für alle Arten von Prozessen und Tätigkeiten.

 

Konzept

 

Verschwendung meint zunächst alle nicht wertschöpfenden Tätigkeiten. Nicht wertschöpfend ist dabei jede Aktivität, für die der Kunde nicht bereit ist zu zahlen. Allerdings ist bei den nicht wertschöpfenden Tätigkeiten noch nach notwendigen und nicht notwendigen Aufgaben zu unterscheiden. Für den internen Aufwand einer Steuererklärung zum Beispiel wird der Kunde nicht bereit sein, direkt etwas zu bezahlen; der Aufwand ist jedoch unumgänglich und damit eine notwendige nicht wertschöpfende Tätigkeit. Auch andere Rahmenbedingungen wie gesetzliche Vorgaben oder physikalische Gegebenheiten resultieren in notwendigen nicht wertschöpfenden Tätigkeiten.

Während das Ziel bei nicht notwendiger Verschwendung stets die Eliminierung der Tätigkeiten ist, so gilt es bei notwendigen Verschwendungen, diese durch Optimierungsmaßnahmen so effizient und damit so wenig aufwendig wie möglich zu gestalten. Verschwendung kommt in sehr vielen Formen vor, auch wenn sie nicht immer sofort als solche erkannt wird. Auch kann ein einziger Sachverhalt gleich mehrere Arten von Verschwendung nach der TIMWOOD-Logik verursachen.

Transport umfasst jedwede unnötige Bewegung von Sachen oder auch Informationen und Daten. In der Fertigung entsteht Verschwendung durch Transport, wenn zum Beispiel Rohstoffe, Fertigwaren oder Werkzeuge bewegt werden. Auch in der Administration kommt Transport vor, beispielsweise gehört dazu die Bewegung von Informationen, sowohl per Papier als auch per digitaler Leitung.

Verschwendung durch Inventory (Bestände) entsteht, wenn über das benötigte Maß hinaus Sachen, aber auch Daten und Informationen gelagert werden. In der Fertigung finden sich gerne Sicherheitsbestände, Pufferlager oder Überproduktionen, die nicht zur Erfüllung eines Auftrages benötigt werden, als Verschwendungstreiber. Ein unaufgeräumter Server, der Massen an unsortierten und unnötigen Daten enthält, erzeugt Verschwendung durch Bestände in digitalen Systemen.

Motion bedeutet, dass zur Erfüllung einer Aufgabe längere Wege, mehr Bewegungen und Handlungen durchgeführt werden als mindestens erforderlich. In der Fertigung finden sich häufig Arbeitsplatzlayouts, in denen Laufwege und Anordnung der Arbeitsmittel und Materialien zu mehr Bewegungen als notwendig führen. In der Administration werden Informationen häufig zwischen Papier und digitalem System oder zwischen verschiedenen Softwaretools manuell ausgetauscht, auch das erzeugt Verschwendung durch Bewegung.

Sind Informationen für Fertigungsaufträge nicht vollständig und eindeutig, entsteht Waiting in der Produktion durch die nachträglich notwendige Klärung. Laufzeiten und Weiterreichen von klassischen Unterschriftenmappen erzeugen häufig Wartezeiten in der Administration. Ebenso entstehen beispielsweise durch unklare Verantwortlichkeiten und/oder viele Schnittstellen in Prozessen immer wieder Wartezeiten. Dabei ist es nicht alleine die Wartezeit, die zu Verschwendung führt. Jede Unterbrechung einer Tätigkeit führt automatisch zu einem Effizienzverlust durch Rüsten: Arbeitsplätze müssen umgestaltet werden, um zwischen Tätigkeiten zu wechseln, Softwareprogramme und Dateien müssen gesucht und geöffnet werden, um eine digitale Tätigkeit nach Unterbrechung wieder aufzunehmen. Zusätzlich ist auch das mentale Rüsten nicht zu vernachlässigen, denn mit jeder Unterbrechung einer Tätigkeit benötigt es bei der Wiederaufnahme auch ein erneutes „Reindenken“ in die Aufgabe.

Wird mehr gefertigt, als zur Erfüllung des aktuellen Auftrages oder der aktuellen Aufgabe faktisch notwendig ist, liegt eine Form von Overproduction (Überproduktion) vor. Die Folgen dieser Verschwendungsart wiederum sind vielfältig, vom unnötigen Verbrauch von Fertigungskapazität und Arbeitszeit über den Aufbau unnötigen Lagerbestandes bis hin zur Verschwendung von Energie und Rohstoffen. Mehrfache Ablagen oder Kopien von analogen und digitalen Dokumenten sind ebenfalls eine häufige Form von Verschwendung durch Überproduktion in der Administration.

Overprocessing, zu Deutsch Überbearbeitung, bedeutet, ein Zuviel an Arbeit in ein Ergebnis zu investieren. In der Fertigung passiert dies beispielsweise, wenn der Qualitätsbegriff mit „so gut wie möglich“ anstatt „so gut wie nötig“ übersetzt wird. Der Mehraufwand in eine Qualitätsverbesserung über die geforderte Spezifikation hinaus erzeugt keinen Mehrwert. Dagegen führt ein zu hohes Detaillevel bei Analyse- oder Planungsdaten zu Überbearbeitung in Administrations- und Digitalsystemen.

Defects sind Mängel und Fehler an Produkten oder sonstigen Ergebnissen, die ohne Nacharbeit nicht für den Kunden nutzbar sind. Verschwendung entsteht hier zum Beispiel durch die notwendige Mehrarbeit beziehungsweise Nacharbeit, um die Fehler zu beheben. Kann oder soll der Fehler nicht durch Nacharbeit behoben werden, so waren effektiv alle zuvor durchgeführten Tätigkeiten zur Erstellung des Ergebnisses Verschwendung.

Manche Unternehmen fügen mittlerweile eine achte Verschwendungsart hinzu, um explizit auch die Verschwendungsform „ungenutztes Potential“, zum Beispiel durch Nichtnutzung von Wissen und Erfahrung der Mitarbeiter, einzubeziehen. Statt TIMWOOD wird hier dann das Akronym DOWNTIME genutzt, welches auf die Kombination von Muda und Muri eingeht: Defects, Overproduction, Waiting, Non-utilized Talent (= Muri), Transport, Inventory, Motion, Extra-Processing.

 

Mehrwert

 

Mit der Analyse im Hinblick auf TIMWOOD kann Verschwendung in allen Bereichen eines Unternehmens klar und strukturiert offengelegt werden. Gegenmaßnahmen und insbesondere auch Quick Wins zur Beseitigung von Verschwendung und zur Steigerung von Kundennutzen und Wertschöpfung lassen sich einfach und gezielt auf Basis der Ergebnisse einer TIMWOOD-Analyse entwickeln.

In der Praxis wird TIMWOOD häufig als Moderationstool zur gezielten Identifikation von Verschwendung in Tätigkeiten und Prozessen genutzt, zum Beispiel im Rahmen von Tätigkeitsstrukturanalysen, Prozessworkshops, Kaizens auf dem Shopfloor und Ähnlichem. Dabei unterstützt das strukturierte Denken in den sieben verschiedenen Richtungen die Mitarbeiter dabei, wirklich alle Formen von Verschwendung in ihren Tätigkeiten und Abläufen zu erkennen. Wie so häufig, ist die Erkenntnis auch hier der erste, notwendige Schritt zur Besserung. Denn die Identifikation von Verschwendung schafft die notwendige Grundlage, um anschließend kreative Wege zur Optimierung zu finden und nicht den typischen Glaubenssätzen wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder „Das geht doch nicht anders“ zu erliegen.