Übersicht

 

Der Begriff Hoshin Kanri kommt aus dem Japanischen. Dabei bedeutet Hoshin „Kompassnadel“ und Kanri Planung bzw. Management. Die Methode ist eine Möglichkeit zur Strategieentwicklung und eine klare Alternative zu der weit verbreiteten Kaskadierung von Unternehmens- und Bereichszielen.

Zwar findet auch im Hoshin Kanri-Prozess eine Kaskadierung statt, aber hierbei liegt dem Ansatz ein komplett unterschiedliches Führungsverständnis zu Grunde. So folgt das „Führen mit Kennzahlen“ in der Regel einer kurzfristigen Ergebnisorientierung, einem Setzen von Zielvorgaben und dem Fokus auf die Mitarbeiter-Führungskraft-Beziehung. Dabei bedarf es einer Kontrolle der Ergebnisse durch das Management. Gerade die Zielkaskadierung kann daher auch mit einer Top-down-Kommunikation gleichgesetzt werden.

Anders ist die Situation beim Hoshin Kanri. Hier geht es eher um eine langfristige Organisationsentwicklung, ein Arbeiten am System, eine gemeinsame Gestaltung der bereichsübergreifenden Prozesse und eine teamorientierte Organisation. Statt permanenter Kontrollen durch das Management wird hierbei eher auf Mittel der permanenten Verbesserung wie beim Kaizen oder im KVP-Ansatz gesetzt. Dabei sind Reifegradmodelle ein idealer Ansatz zur Messung des gemeinsamen Erfolgs. Somit kann das Hoshin Kanri auch als Catchball-Prinzip bezeichnet werden, da Mitarbeiter und Führung gemeinsam die Ziele definieren und vor allem bereichsübergreifend angehen.

Das Ganze lässt sich an einem einfachen Beispiel vorstellen. Angenommen, die Geschäftsleitung eines Unternehmens vergibt für die Produktionsleitung das Ziel der OEE-Steigerung von einer Anlage für das kommende Jahr um fünf Prozent. Die Instandhaltung hat aber das Ziel der Kostenreduktion um zwei Prozent, während die Innovationsabteilung ihr Time-to-Market um 30 Prozent verringern soll.

Und hier beginnt in einer Welt der Zielkaskadierung das Problem. So steht die Reduktion der Instandhaltungskosten wahrscheinlich im Widerspruch zur Erhöhung der Anlagenperformance, denn wenn ich weniger in die Anlage investiere, dann wird diese tendenziell auch schneller ausfallen. Genauso verhält es sich zwischen der Innovation und Produktion, da die Innovationsabteilung zur Senkung der Durchlaufzeit eines neuen Produkts bis zur Marktreife in der Regel auch Versuche auf den Produktionsanlagen fährt. Mehr Zeit für Versuche auf den Anlagen bedeutet aber eine niedrigere Verfügbarkeit für die Produktion.

Die bereichsindividuellen Ziele widersprechen sich. Und es passiert, was vielfach zu beobachten ist. Es kommt zu Egoismen und Konflikten zwischen den Abteilungen.

Nicht so mit dem Hoshin Kanri, da hier die Steuerung des Unternehmens über gemeinsame Einflussgrößen und Reifegrade der systemischen Unternehmensentwicklung erfolgt. Dies bedeutet, dass zwei oder mehr Abteilungen gemeinsam dafür verantwortlich sind, zum Beispiel die gemeinsame neue ERP-Software effizient einzuführen. Und durch diese übergreifenden Verbesserungen, so die Logik hinter der Methode, kommt es dann ganz automatisch zu den gewünschten gesteigerten Ergebniszielen.

Dass dazu an den richtigen Themen gearbeitet wird, lässt sich durch den Hoshin-Kanri-Prozess selbst sicherstellen.

 

Konzept

 

Dazu geht ein Führungsteam für ca. zwei Tage in Klausur und erarbeitet sich gemeinsam den Hoshin Kanri. Ausgangspunkt ist die Vision. Wichtig ist aber, dass es sich um eine echte Vision handelt und nicht wie so häufig um ein schnödes monetäres Ziel à la Zehn-Prozent-EBITDA pro anno.

Anschließend kommt ein sehr entscheidender Punkt. Gedanklich werden die Ergebnisse sehr stringent von den Einflussfaktoren getrennt. Dazu werden zwar zunächst auch die Ziele definiert, die Diskussion erfolgt dann aber deutlich intensiver über die Faktoren, die erledigt oder verändert werden müssen, um diese Ziele auch zu erreichen.

Im zweiten Schritt des Hoshin Kanris werden zunächst die strategischen Ergebniskennzahlen besprochen. Dazu werden dann anschließend die einzelnen Aspekte der Vision mit genau diesen Strategiekennzahlen verknüpft. Dies erfolgt in der Matrix links unten im Hoshin Kanri. Dabei muss jeder Aspekt der Vision und jede Strategiekennzahl mindestens eine Verknüpfung aufweisen, beliebig viele mehr sind möglich. In diesem Prozess ergeben sich typischerweise Kennzahlen wie Umsatz, Ergebnis, OEE, Time-to-Market, Servicelevel oder Durchlaufzeiten, denkbar ist hier aber noch viel mehr.

Anschließend folgt im dritten Schritt die Ableitung strategischer Projekte. Dabei geht es um Fragen der Organisationsentwicklung, um genau diese strategischen Ziele zu erreichen. Leitstern ist dabei die Frage: „Was muss passieren, damit wir dies und jenes erreichen …?“ Auch zwischen Schritt zwei und drei erfolgt wieder eine Zuordnung von Ursache und Wirkung. Dies wird im Hoshin Kanri oben links eingetragen.

Die eingangs erwähnte Trennung zwischen Ergebnis- und Einflussfaktoren ist dann der vierte und sehr entscheidende Schritt. So lassen sich Initiativen zur Organisationsentwicklung ganz hervorragend mit Reifegraden messen. Dabei handelt es sich ganz einfach um Stufen der systemischen Organisationsentwicklung, die sukzessive angestrebt werden. Am Anfang stehen einfache Maßnahmen, auf denen dann sukzessive aufgebaut wird. Aber auch einfache Einflusskennzahlen sind hier denkbar. Und auch hier wird wieder die Verbindung hergestellt, dieses Mal zwischen den Initiativen und den Einflussfaktoren, und zwar oben rechts in der Matrix.

Als fünfter und letzter Schritt werden dann die Verantwortlichkeiten (RACI) zur Erreichung der strategischen Initiativen einzelnen oder mehreren Personen oder Abteilungen zugewiesen. Dies erfolgt in einem weiteren „Anbau“ der Matrix oben ganz rechts.

Wichtig beim Hoshin-Kanri-Prozess ist das regelmäßige Review. Hier empfiehlt sich ein Zeitraum von jeweils drei Monaten. Einmal im Jahr sollte dann der Prozess erneut von vorne durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass noch an den richtigen Zielen gearbeitet wird.

 

Mehrwert

 

Der gigantische Mehrwert des Hoshin-Kanri-Prozesses ist, dass die indivudellen und gemeinsamen Ziele für Personen und Abteilungen auf einmal deckungsgleich werden, da nicht mehr über konfliktäre Ergebnisziele diskutiert wird, sondern über die gemeinsamen Einflussfaktoren, um diese Ziele zu erreichen.

Dies verringert massiv die Bereichsegoismen und fördert eine neue Art der Zusammenarbeit. Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern nicht mehr die letzten Prozente in den Jahreszielen abverlangen. Mitarbeiter brauchen nicht mehr alles zu versuchen, um diese Ziele möglichst niedrig zu drücken. Denn im Hoshin-Kanri-Prozess wird gemeinsam von der Vision aus gedacht und die Jahreszielsetzung sowie strategische Planung inkl. der möglichen systemischen Handlungsfelder werden hierarchieübergreifend besprochen.

Dies erlaubt eine wesentliche kooperative Steuerung als klassische Kaskadierungsansätze.