Überblick

 

Die Verwendung eines Reifegradmodells bietet eine Möglichkeit, die Organisationsentwicklung in bestimmten Schlüsselbereichen zu bewerten und im Folgenden anhand dieser Bewertung weiterzuführen. Mit Hilfe eines Reifegradmodells lässt sich die Leistungsfähigkeit, Qualität oder Reife einer Organisation, verglichen mit dem aus der Vision abgeleiteten Zielzustand, transparent und systematisch darstellen. Ein Reifegradmodell dient daher als Hilfestellung, um eine zielgerichtete Umsetzung in Richtung eines beispielsweise im Hoshin Kanri definierten Zielzustandes zu unterstützen.

 

Reifegrade bilden den Entwicklungsgrad einer Organisation ab. Abzugrenzen ist das beschriebene Reifegradmodell der Organisationsentwicklung von dem gleichnamigen Modell für einen situativen Führungsstil. Dieses Führungsmodell beschreibt, dass je nach Entwicklungsstand eines Mitarbeiters eine unterschiedliche Führung benötigt wird.

 

Ebenso ist das beschriebene Reifegradmodell nicht zu verwechseln mit andersartigen Messmethoden wie beispielsweise dem Erfüllungsgrad. Durch diesen wird wie bei der Datenübertragung der prozentuale Grad der Fertigstellung eines Zielzustandes angegeben. Auch entspricht eine reine Zustandsmessung mit einem standardisierten Messinstrument (wie einem Thermometer) nicht der Messung von Organisationsentwicklungen. Schließlich wird mittels eines Härtegrades der Status einzelner Posten (wie Maßnahmen) dargestellt, jedoch nicht wie beim Reifegrad übergreifende Prozesseigenschaften.

 

 

Konzept

 

Bei der Entwicklung eines individuellen Reifegradmodells ist die Beschreibung des finalen, visionären Zustands des Unternehmens der Startpunkt. Abgeleitet aus diesem finalen Zielzustand werden greifbare Entwicklungsstufen, die Reifegrade, definiert. Bei Reifegraden handelt es sich um meist fünf Stufen der systemischen Organisationsentwicklung, die sukzessive angestrebt werden. Diese Etappenziele sind in Form von definierten Zielzuständen beschrieben und führen stufenweise zur Erreichung des übergeordneten Zieles. Durch diese aufeinander aufbauenden Reifegrade wird die Erreichung des Zielzustandes in umsetzbare Komponenten aufgeteilt.

Bei standardisierten Reifegradmodellen hingegen wird ein beispielsweise branchenspezifisches Idealbild als Zielzustand verwendet. Analog werden auch aus diesem normierte Reifegradstufen abgeleitet, welche als branchenübergreifende Referenz dienen.

 

In jedem Reifegrad werden spezifische Anforderungen an unterschiedliche Bereiche gestellt. Diese können als verschiedene Funktionsbereiche wie beispielsweise Beschaffung und Produktion definiert oder auch anhand von Prozessgruppen unterteilt werden. Der Detailgrad kann bei Reifegradmodellen sowohl auf einem hohen Level über die gesamte Organisation gewählt werden als auch fokussiert auf einzelne Bereiche.

In niedrigen Reifegraden werden in jedem Bereich vergleichsweise leicht zu erfüllende Anforderungen gestellt, auf denen dann schrittweise aufgebaut wird. Je höher der Reifegrad ist, desto umfangreicher werden die Anforderungen zur Erfüllung. Durch die Verwendung von aufeinander aufbauenden Reifegraden, welche detailliert mit Anforderungen beschrieben werden, macht das Modell den Weg zur Zielsetzung für Beteiligte sichtbar. Jedoch bleibt die konkrete operative Umsetzung flexibel.

 

Gut beschreiben lässt sich dies an einer beispielhaften Etablierung der 5S-Arbeitsgestaltung. Die Erfüllung des Reifegrades 1 umfasst die Anforderungen hinsichtlich erster sporadischer Säuberungen. Für den Reifegrad 2 sollen dann gelegentliche Säuberung und eine Systematisierung etabliert sein. Darauf aufbauend wird für die Erreichung der nächsten Reifegradstufe eine ereignisorientierte 5S-Durchführung gefordert und für den Reifegrad 4 dann ein turnusmäßiges Abhalten der 5S-Methode. Der finale Reifegrad 5 sieht schließlich eine konsequente 5S-Kultur vor.

 

Bei der Anwendung eines Reifegradmodells wird der aktuelle Entwicklungsstand im Unternehmen mit den aus der Zielsetzung abgeleiteten Anforderungen in den Reifegradstufen verglichen. Hierbei wird festgestellt, ob die Anforderungen in den einzelnen Bereichen erfüllt sind, und daraus eine Gesamtübersicht erstellt.

Das Resultat ist eine objektive Beurteilung des Ist-Zustands der Organisationsentwicklung in Unternehmen im Vergleich zum Zielzustand. Entsprechend bringt das Ergebnis der Anwendung, beispielsweise die Erfüllung der Reifegradstufe 2, einen Überblick über den aktuellen Status der Organisationsentwicklung auf dem Weg zum festgelegten Zielzustand.

Dadurch wird eine Richtlinie für Fortschritt, Effizienz und Stabilität der organisatorischen Abläufe erreicht. Gleichzeitig verdeutlicht dieser Abgleich, in welchen Bereichen noch Verbesserungen im Unternehmen notwendig sind.

Ebenso anwenden lässt sich ein Reifegradmodell, um eine qualitative Vergleichbarkeit beispielsweise zwischen verschiedenen Produktionsstandorten eines Unternehmens oder, mit Hilfe standardisierter Reifegradmodelle, zwischen ganzen Unternehmen zu erreichen.

 

 

Mehrwert

 

Der große Mehrwert bei der Verwendung eines Reifegradmodells ist, dass der strukturierte Abgleich des Ist-Zustandes mit den Anforderungen eines Reifegrades für die Beteiligten Transparenz über den aktuellen Entwicklungsstand in der Organisation schafft. Die qualitative Entwicklung des Unternehmens wird somit messbar und es herrscht mehr Klarheit über die aktuelle Erreichung der Zielsetzung. Daraus ergibt sich eine Struktur und Zielrichtung für folgende Organisationsverbesserungen. Die Weiterentwicklung in Richtung des Zielzustandes kann besser gesteuert werden.

 

Klar strukturiert und stufenweise aufbauend geben Reifegrade gestaffelte Entwicklungsziele vor, an welchen sich die Beteiligten orientieren können. Diese Abstufung vereinfacht in der Umsetzung den Weg zum Zielzustand. Ebenso verbessern die anhand nachvollziehbarer Kriterien definierten Reifegrade das Verständnis hinsichtlich der Entwicklungsrichtung. Dies unterstützt das Unternehmen dabei, Verbesserungen zu kommunizieren und umzusetzen. Durch die Feststellung aktueller Verfahrensweisen erfüllt ein Reifegradmodell auch eine Kontrollfunktion, inwieweit gewünschte Veränderungen implementiert wurden.

 

Der Abgleich mit den strukturierten Anforderungen eines Reifegrades ist weiterhin vorteilhaft für die Identifikation von weiteren Verbesserungspotentialen, welche noch umzusetzen sind. Stärken und Schwächen in unterschiedlichen Bereichen werden sichtbar und können angegangen werden. Die strukturierten Einblicke dienen als Basis der weiteren effektiven Verbesserung und als Grundlage, um Methoden zielgerichtet zur Verbesserung einzusetzen. In diesem Zusammenhang bietet die Nutzung eines standardisierten Reifegradmodells ebenso die Möglichkeit, sich mit Wettbewerbern objektiv zu vergleichen. Auch hierbei können Potentiale identifiziert und Maßnahmen abgeleitet werden, um die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern.

 

Somit unterstützt ein Reifegradmodell die schrittweise Implementierung von Praktiken und Prozessen, welche die Organisation im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses auf dem Weg zu einem definierten Zielzustand weiterentwickeln.