ÜBERBLICK

 

Eine Vision definiert sich als Formulierung von herausfordernden und inspirierenden Vorstellungen über die Zukunft eines Unternehmens. Sie beschreibt, welchem langfristigen Zweck ein Unternehmen dient, und bildet ab, mit welcher Intention ein Gründer oder Inhaber das Unternehmen führt.

In einer Vision lässt sich die Daseinsberechtigung eines Unternehmens festhalten und für alle Mitarbeiter und externe Stakeholder klar kommunizieren. Dadurch bildet die Vision den zentralen Bestandteil des normativen Rahmens eines Unternehmens. An ihr orientiert sich die Mission, die den Higher Purpose in einer strategischen Wettbewerbspositionierung konkretisiert. Genauso stehen die Unternehmenswerte in direkter Korrelation zur Vision. Das normative Gerüst aus Mission und Werten macht die Vision im täglichen Geschäft für Mitarbeiter greifbar. Denn Ziel ist, dass sich alle internen Stakeholder bei allen Tätigkeiten an der Vision orientieren und sie Entscheidungen stets in Bezug auf den höheren Zweck des Unternehmens treffen.

 

KONZEPT

 

Beim Erarbeiten und Formulieren einer Vision gilt es, die Frage zu beantworten, wie und wohin sich das Unternehmen in einer langfristigen Perspektive entwickeln soll. Gleichzeitig muss der Unternehmenszweck im Sinne einer Existenzberechtigung beschrieben sein. Dadurch wirkt eine Vision nicht als Selbstzweck, sondern entfaltet – quasi als Fixpunkt im Tagesgeschäft – eine motivierende Sinnstiftung.

Nach Hungenberg hat eine Vision drei Funktionen, die sowohl intern als auch extern wirken:

  • Identitätsfunktion
  • Identifikationsfunktion
  • Mobilisierungsfunktion

Die Identitätsfunktion der Vision besteht darin, dass sie ein unverwechselbares Zukunftsbild des Unternehmens entwirft. Dieses zeigt sich intern als Selbstverständnis und Grundlage allen Handelns. Extern dient es der Positionierung im Wettbewerb und grenzt das Unternehmen von Mitbewerbern ab.

Daran schließt sich die Identifikationsfunktion der Vision an: Den Mitarbeitern eines Unternehmens den Nutzen der eigenen Arbeit und zugleich den tieferen Sinn dahinter zu verdeutlichen. Gleichzeitig kann sich diese Identifikation auch auf externe Stakeholder erstrecken. So identifizieren sich beispielsweise Kunden mit einem Unternehmen, wenn sie das Ziel, das in der Vision konkretisiert ist, teilen.

Eine inspirierende Vision hat darüber hinaus eine Mobilisierungsfunktion. Denn sie motiviert Mitarbeiter, durch ihr tägliches Handeln die Vision als gemeinschaftliches Ziel zu verfolgen. Auch auf externe Akteure wirkt eine Vision mobilisierend, wenn sie zu einer Handlung – beispielsweise dem Kauf von Produkten oder Dienstleistungen – im Sinne der Vision führt. Dies ist unter anderem bei Unternehmen vorstellbar, die nachhaltige Alternativen zu anderen Produkten anbieten.

Um eine Vision zu formulieren, die alle drei Funktionen erfüllen kann, benötigt es weniger tiefgreifende Marktanalysen oder Risikobewertungen, sondern vor allem eines: Fantasie. Ein kreativ-kognitives Potential ist unerlässlich, um zu einer Vorstellung davon zu gelangen, welchen bisherigen Zustand ein Unternehmen mit seinen Tätigkeiten verbessern will, oder welchen Zustand es für die Zukunft erreichen möchte. Es geht im Kern um eine Inspiration, die sich von zwei grundlegenden Überlegungen ableitet: „weg von“ und/oder „hin zu“. Welchen Status quo gilt es zu ändern oder welchen konkreten Zielzustand sollen die unternehmerischen Aktivitäten erreichen? Dahinter steckt die Motivation des Gründers oder einer Gruppe beseelter Mitarbeiter, etwas ändern zu wollen. Entweder haben sie genügend Vorstellungsvermögen, einen grundlegend anderen Zustand einer Branche, der Gesellschaft, des Staates et cetera originär zu entwerfen. Oder sie stören sich an bestehenden Einschränkungen, Dysfunktionen oder Ungerechtigkeiten. Die Themen, die eine Vision beeinflussen können, sind vielfältig. Es gilt, neugierig zu sein und die Entwicklungen der Zeit kritisch zu beleuchten. So lassen sich visionäre Ideen für ein Unternehmen entwickeln.

Ist die Stoßrichtung der Vision vom Zustand, den ein Unternehmen erreichen will, geklärt, geht der Prozess der Visionsfindung in die nächste Phase über. Denn die Formulierung einer Vision und ihre Übertragung in das normative Gerüst des Unternehmens ist ein aufwendiger Prozess, der sich idealerweise nicht ausschließlich top-down vollzieht. Lediglich in einer konstituierenden Phase lässt sich eine Vision durch den oder die Gründer vorgeben. In gewachsenen Unternehmen, die mit der Visionsarbeit nicht als Initialzündung, sondern erst nach einigen Jahren starten, empfiehlt sich ein integrativer Ansatz bei der Erarbeitung der Vision: In Visions-Workshops lassen sich die Ideen und Meinungen der Mitarbeiter sammeln und in den Prozess der Visions-Formulierung einbeziehen. Nach Brainstormings und Clustern lässt sich in solchen Workshops in einem konsensualen Prozess die Quintessenz des Unternehmenszwecks destillieren. So trägt das gemeinschaftliche Vorgehen bei der Erarbeitung einer Unternehmensvision zu einer größeren Akzeptanz und einer stärkeren Identifikation bei. Außerdem schützen die Impulse aus dem Workshop davor, dass sich die Vision zu weit von der Erfahrungswirklichkeit entfernt.

Die Vision ist in Kombination mit einer Mission der fundamentale Bestandteil des normativen Managements, welches das Selbstbild eines Unternehmens definiert und die Unternehmenskultur gestaltet. Die Kombination von Vision, Mission und Unternehmenswerten stellen also den normativen Rahmen der Unternehmensaktivitäten dar, die sich an ihm ausrichten müssen. In der Literatur sind die Definitionen und Abgrenzungen von Vision und Mission nicht eindeutig und widersprechen sich teilweise. Allgemein gilt jedoch, dass die Vision langfristig ausgerichtet ist und vor allem inspirierend und sinnstiftend wirkt. Die Mission konkretisiert die Vision hinsichtlich der Frage, welchen Nutzen Kunden aus den Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens ziehen können und wie sich das Unternehmen am Markt positionieren will.

Mit der Entwicklung einer Unternehmensstrategie konkretisiert das strategische Management die Vorgaben aus der Vision und Mission, indem es spezifische Ziele formuliert und Erfolgspotentiale entwickelt. Hierzu zählen beispielsweise die angestrebte Marktposition oder die Definition der notwendigen Ausstattung mit Ressourcen. In der Logik des Planungsmodells des strategischen Managements schließt sich hieran die Definition langfristiger Ziele an, die die Vision und Mission operationalisierbar machen. Ein Instrument, welches sich für die Umsetzung der visionären Ziele und der Mission im Tagesgeschäft etabliert hat, ist die Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton. Sie hilft, die Strategie ganzheitlich darzustellen, indem sie Vorgaben aus der Unternehmensvision, -mission und -strategie in konkrete Ziele übersetzt und durch Kennzahlen, Vorgaben und Maßnahmen operationalisiert.

 

MEHRWERT

 

Die klare, verschriftlichte Formulierung eines Leitbilds hat positive Effekte auf ein Unternehmen. So liefert eine Vision in Kombination mit der Mission und den Werten eindeutige Vorgaben für die Unternehmenssteuerung und die Ziele innerhalb des Unternehmens. Dies bietet eine Orientierung für Mitarbeiter, die durch die Ausrichtung ihrer Tätigkeit am übergeordneten Unternehmensziel ein motivierendes Element finden. Gleichzeitig entstehen Richtwerte für den Umgang zwischen den Mitarbeitern und für die Führungskultur. Ein weiterer Mehrwert, den eine klare Vision bietet, ist die sinnstiftende Darstellung des Unternehmens gegenüber Außenstehenden und die dadurch steigende Akzeptanz beziehungsweise Identifikation.

Die Visionsarbeit hilft, in Projekten und im Tagesgeschäft die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ziele und Maßnahmen orientieren sich an der Vision und sind darauf ausgerichtet, sie zu erreichen. Doch eine Vision, auch in Kombination mit den normativen Grundbausteinen der Mission und der Unternehmenswerte, ist dafür nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es einer klaren Unternehmensstrategie, die die Vision und Mission unterstützt. Erst eine Strategie macht es möglich, die Unternehmensstärken zu nutzen, um aus Marktchancen optimale Umsätze für das Unternehmen zu erzielen.