Hans-Christoph Gallenkamp leitet Felix Schoeller seit 2018 als CEO und war zuvor in vielen Positionen sowohl in Vertriebs- als auch in Produktionsbereichen des Unternehmens betraut. Wir haben ihn zur Excellence-Transformation seiner Organisation befragt, die die TrainingsManufaktur seit 2016 methodisch unterstützt.

 

Herr Gallenkamp, wir freuen uns, Ihr Unternehmen nun seit einigen Jahren im Bereich Operational Excellence (OpEx) zu begleiten. Uns interessiert, woher der Impuls kam, sich mit der Methodik zu beschäftigen? Denn OpEx wird selten an Universitäten gelehrt, selbst in Ingenieursfächern. Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden?

Tatsächlich war gerade mein Studiengang im Papieringenieurwesen besonders spezialisiert. Die Möglichkeiten einer verschwendungsfreien Produktion waren definitiv kein Thema während der Ausbildung. Tatsächlich ist die Idee des Lean Managements durch eine Kooperation mit Kodak, als einem unserer größten Kunden, ins Unternehmen gekommen. 2012 haben wir dann aktiv die Entscheidung getroffen, die Methodik Operational Excellence aufzugreifen. Denn Komplexität und Anforderungen stiegen zu dieser Zeit und bis heute enorm und klassische Methoden reichten nicht mehr aus, um zu optimalen Abläufen zu kommen. In den letzten Jahren haben wir dieses dann signifikant intensiviert.

 

Wie ging die Reise zur Excellence aus Ihrer Sicht seit dieser grundlegenden Entscheidung weiter?

Unser Bild zur Excellence hat sich über die Zeit schrittweise aufgebaut. Startend von Lean Management und Einzelmethoden wie 5S und SMED in den Standorten sowie Kaizens in den Werken. Nach und nach sind wir mit Lean Management weiter in die Produktion und die Verwaltung gegangen und haben die Vermeidung von Verschwendung umfassender angepackt. Parallel zu Lean haben wir damit begonnen, Mitarbeiter in den Standorten zum Six Sigma Green Belt auszubilden.

Den entscheidenden Schritt im Produktionsbereich haben wir im Jahr 2016 gemacht. Mit dem Start des Projekts an der Papiermaschine 1 und der Zusammenarbeit mit der TrainingsManufaktur wurden immer weitere Bausteine zur Excellence hinzugefügt. Das Ziel, den Netto-Nutzgrad der Anlage zu verbessern und diese KPI um 10 %-Punkte zu steigern, war der Auftakt zu einem breiteren Ansatz und dazu, Excellence holistischer zu sehen. Unser Blick auf Operational Excellence hat sich in der Zwischenzeit stark erweitert. Mit dem jetzt erreichten Ansatz haben wir, für mich, einen ganzheitlichen OpEx-Ansatz für uns definiert.

Heute sehen wir Excellence noch umfangreicher und OpEx ist ein Baustein, um das Unternehmen zukunftsfähig zu erhalten.

 

Herr Gallenkamp, Sie haben die Wirkung von Operational Excellence in Ihrem Unternehmen miterlebt. Welche Potentiale sehen Sie für das Methoden-Set in der Zukunft? Und welche Bereiche und Branchen könnten künftig davon besonders profitieren?

Die Wirkung ist wirklich beeindruckend, vor allem, wenn es aus sich heraus aufgebaut wird und die eigene Organisation dies tut. Die Wirkung zeigt sich in drei Richtungen: Ausrichtung am Kunden, Effizienzgewinne durch prozessbasierte Arbeitsweise und steten KVP sowie zuletzt einem neuen Verantwortungsbewusstsein in der Organisation.

Da die Vermeidung von Verschwendung essentiell in jeder Branche ist, können es alle Unternehmen anwenden. Vor allem solche, die historisch gewachsen und in klassischen funktionalen Organisationen unterwegs sind. OpEx hat eine Wirkung auf die ganzheitliche Organisationsentwicklung. Dadurch entstehen Freiheitsgrade für die strategische Führung von Unternehmen. Das haben wir bei der strategischen Weiterentwicklung von Felix Schoeller erlebt:

Excellence ist der Enabler, um die Vision umzusetzen. Methoden wie Hoshin Kanri schaffen Klarheit, Commitment und Motivation. So gesehen bietet Excellence wirksame Hebel für die Kulturveränderung!

Für uns selbst liegen die Potentiale darin, im Sinne eines ganzheitlichen Anspruchs der Organisationsentwicklung die einzelnen Werke, die administrativen Bereiche und final alle Standorte in Sachen Excellence auf ein einheitliches Niveau zu bringen. Und natürlich hilft uns die Methodik und das Mindset enorm dabei, das große Ganze zu verfolgen: die nachhaltige Überlebensfähigkeit am europäischen Standort durch die Steigerung der Ertragskraft und ein wirtschaftlich sinnvolles Agieren. Das schaffen wir durch einen deutlich ausgeprägten Fokus auf den Kunden und den Markt. Durch das Excellence-Mindset verankert sich dieses Denken im Unternehmen weiter und hat Auswirkung auf das Tun aller Führungskräfte und Mitarbeiter.

 

Das übergeordnete Ziel der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit liegt der Reise zur Excellence zugrunde. Auf einer niedrigeren Flughöhe: Weshalb ist die umfängliche Transformation für Felix Schoeller wichtig?

Unser Masterplan 2025 setzt einen klaren strategischen Rahmen für die kommenden Jahren. Dabei setzen wir die Weiterentwicklung unseres Leistungsversprechens an die Kunden in den Fokus unserer Bestrebungen: Mit OTIF (On Time in Full) und dem Customer Interaction Score konzentrieren wir uns darauf, dass der Mehrwert für den Kunden steigt. Ziel ist ein verbessertes Kundenerlebnis durch die neue „Responsiveness“. Dazu trägt auch die Mitarbeiterzufriedenheit bei, die wir als essentiellen Teil unserer Strategie betrachten. Befähigte und beteiligte Mitarbeiter, die nicht im Silo-Denken verhaftet sind, sondern crossfunktional arbeiten und danach streben, die Performance-orientierte Organisation basierend auf klaren und schlanken Prozessen jeden Tag besser zu machen, tragen maßgeblich dazu bei, den Mehrwert zu generieren, den wir unseren Kunden bieten möchten.

Bei der Erreichung dieses Zielclusters hilft uns die Transformation, denn sie sorgt dafür, dass wir mit der bestehenden Komplexität besser umgehen können. Durch die Methodik und das Mindset von Excellence werden wir schneller und effizienter in Richtung Markt und Kunden. Intern sorgt sie für mehr Motivation und Commitment durch Klarheit und gemeinsam getragenen Anspruch. Kurz gesagt:

Die Excellence-Transformation bietet uns die wichtige Plattform für die Zukunft, um Schoeller wachsen zu lassen, und das wirtschaftlich erfolgreich.

 

Herr Gallenkamp, lassen Sie uns noch konkreter werden. Welche waren, aus Ihrer Sicht, die wichtigsten Excellence-Entwicklungen für das Unternehmen in den letzten Jahren?

Für mich ist der wichtigste Aspekt, dass in der Organisation ein stärkeres Verständnis für ein systematisches Handeln aufgebaut wurde. Dazu hat die TrainingsManufaktur immer wieder wertvolle Impulse gegeben und unsere Führungskräfte trainiert, die Arbeit am System prioritär zu betrachten. Außerdem profitieren wir stark von der mittlerweile etablierten Prozessorientierung.

Durch die lange gewachsenen Strukturen in unserem Unternehmen war es ein wichtiger Schritt, das Silo-Denken aufzubrechen und ein Denken in Prozessen zu verankern.

Persönlich freut mich besonders die Veränderung bei der Einstellung, die ich bei Mitarbeitern und Führungskräften ausmache. Die Offenheit, neue Dinge zu lernen, ist nun da und das spiegelt sich unter anderem in der dramatisch gestiegenen Nachfrage nach Weiterbildungen in unseren Belt-Programmen wider. Die Organisationsmitglieder wollen sich Kompetenzen aneignen und haben somit auch für sich selbst den KVP-Gedanken verinnerlicht: Wir machen es jeden Tag ein wenig besser! Das schlägt sich auch auf unseren Blickwinkel auf Qualität nieder. Kein sinnloses Streben nach Perfektion als Mantra, sondern Akzeptanz der 80-20-Idee. 80 % reichen als Start, und die restlichen 20 % holen wir dann mit KVP. Das verbrennt dramatisch weniger Energie im gesamten Unternehmen.

Entlastend wirkt auch das neue Führungsverständnis der Organisation. Delegation von Verantwortung und Involvement der Führungskraft münden in einer ganzheitlichen Führungsstruktur. Sie basiert auf dem Strategieprozess mit einer neuen Vision, einer methodenbasierten Arbeitsweise in den Themen und einer klaren Steuerung.

 

Die Änderung der Führungskultur ist ein gutes Stichwort. Herr Gallenkamp, wie haben Sie den bisherigen Transformationsprozess persönlich wahrgenommen? Hatte er Auswirkungen auf Ihre eigene Arbeitsweise?

Die größte Änderung für mich lässt sich mit „Hands-off“ statt „Hands-on“ beschreiben! Das bedeutet, sich stärker auf die Führung von Personen, weniger in der Sache, zu konzentrieren. Sich nicht in Fachinformationen zu verlieren, fällt mir durch meine Ingenieursausbildung besonders schwer. Da besteht doch eine große Neigung zum Detail. Außerdem bin ich durch meine Ausbildung und die vielen Stationen, die ich bei Felix Schoeller durchlaufen durfte, inhaltlich sehr stark im Bilde und kenne die Details. Das ist allerdings nichts, worauf es beim Leadership ankommt. Das war und ist kontinuierlich ein wichtiger persönlicher Lernprozess.

Was ich außerdem von unserem Transformationsprozess mitnehme, ist das Wegkommen von der retrospektiven Frage: „Warum hat etwas nicht geklappt?“ Stattdessen, ganz im Sinne des KVP-Gedankens, fragen: „Was braucht es, damit es besser laufen kann?“ Nach vorne gerichtet führen. Das ist für mich persönlich eine der großen Änderungen meiner Führungsarbeit.

 

Zum Abschluss ein Blick nach vorn: Wie beschreiben Sie die künftige Excellence-Strategie für Felix Schoeller?

Diese Strategie verfolgt einen holistischen Ansatz, der alle Bereiche in der Organisation umfasst. Diesen haben wir mit der Vision und den strategischen Initiativen skizziert, die wir mit Hilfe des Hoshin Kanris abgeleitet haben. Das gilt es jetzt zunächst umzusetzen und zu verankern, um die Kernzielsetzung des Masterplans 2025 zum Leben zu erwecken. Dafür sind die Kernführungskräfte vollständig auf das gleiche Level hinsichtlich Kompetenz, Sinnstiftung und Willen zu heben. Das betrifft auch die einzelnen Werke und insbesondere die Standorte in Nordamerika. Excellence muss für alle auf demselben Niveau implementiert sein.

Gelernt habe ich vor allem, dass es entscheidend ist, die Organisation zu Beteiligten zu machen, hier haben wir sie zu lange zu Betroffenen gemacht.

Befähigen und Commitment erreichen ist daher ein wichtiger Schritt, den wir gehen müssen.

Ist das erreicht, haben wir einen riesigen Sprung gemacht und können dann die einzelnen Bausteine nachjustieren. Process Excellence, Shopfloor, Hoshin Kanri, Steuerung und Functional Excellence in den Fachbereichen wie beispielsweise Einkauf oder HR. Mit der methodischen Toolbox, die wir durch interne Trainings aber vor allem auch durch die zentrale OpEx-Gruppe bereitstellen, liegt es bei den Verantwortlichen der Fachbereiche, mit Offenheit an die Themen ranzugehen und ihren eigenen Bereich exzellent zu gestalten.