Die Veränderung einer Organisation hin zu einer wirklich gelebten Lean-Management-Kultur dauert in der Regel mehrere Jahre. Dabei sind es meist weder die Methoden selbst noch die Mitarbeiter, die den Transformationsprozess blockieren und ausbremsen. In den meisten Fällen liegt es an einer fehlenden Methodenausbildung und somit an einem unzureichenden Verständnis der Führungskräfte, dass die Implementierung einer gelebten Lean-Kultur sich hinzieht.

Klassische Lean-Hebel, welche tausendfach in anderen Unternehmen erfolgreich angewendet wurden, sind immer wieder eine scheinbar immense Herausforderung für Führungskräfte. So wird meist wochen-, nicht selten monatelang diskutiert über Grundlagen wie 5S oder den Aufbau eines KVP-Teams, bis ein Projektteam mit der Umsetzung starten darf. Dabei sind die Lean-Ansätze in der Regel so trivial wie wirksam, sie müssen halt nur umgesetzt werden.

Gut getan ist besser als gut gesagt.
Benjamin Franklin

Mut statt Unsicherheit!

Und genau hier fehlt vielen Führungskräften oft der Mut zur Entscheidung, was wiederum verständlich ist angesichts der hohen Komplexität an Entscheidungsparametern, die auf Führungskräfte einprasseln. Meist bringen erste Methodentrainings im Lean Management zwar erste Erkenntnisse und Einsichten, nur geht letztlich nichts über die eigene Anwendung. Aufgrund der Tragweite der Entscheidungen und der erwähnten meist fehlenden methodischen Ausbildung kommt es somit immer wieder zu teils dramatischen Unsicherheiten im Top-Level-Führungskreis.

Soll wirklich das wirkungslose Vorschlagswesen zugunsten einer Kaizen-Kultur aufgegeben werden? Warum bringt es uns schneller nach vorne, wenn wir zuerst alle die Maschinen putzen? Und wieso sollte auch der Ort des Geschehens aufgesucht werden, wenn bislang alle internen Termine eher im Besprechungsraum stattfanden? Wohlgemerkt, hierbei geht es komplett um methodische Einstiegslevel. Wir reden hier nicht von komplexeren Themen wie Wertströmen oder einer statistischen Prozesskontrolle mit Six Sigma.

Viele Führungskräfte, die wir bisher begleiten durften, zeigten dieses hohe Ausmaß an Entscheidungsunsicherheit – verständlich und nachvollziehbar, aber dennoch gefährlich. Dann Führung heißt auch immer, unter Unsicherheit vornewegzugehen. Einer der ganz wichtigen Hebel zur Schaffung von Sicherheit und Klarheit sind positive Erfahrungen im Umgang mit Lean Management. Nur beißt sich nicht selten die Katze in den Schwanz: ohne eine stringente Führung keine Ergebnisse und ohne Ergebnisse eine massive Scheu vor klaren Entscheidungen.

 

Sprung ins Entscheidungsbecken mit dem Großkaizen

Was also tun? Um dieses Dilemma zu lösen, arbeiten wir mit dem Element der Großkaizens. Diese sind nichts anderes als eine Spezialform des regulären Kaizen. Dabei geht es wie im normalen Kaizen vor allem um die Umsetzung. Auch finden die Workshops crossfunktional und crosshierarisch statt. Doch anders als im Standardkaizen werden im Großkaizen komplette Anlagenteile, das ganze Werk oder je nach Größe auch das Gesamtunternehmen angegangen. Unsere Erfahrungen reichen hierbei von einer Teilnehmergröße von 50 bis 300 Mitarbeiter, die gleichzeitig und in verschiedene, moderierte Teilgruppen aufgeteilt an konkreten Verbesserungen arbeiten.

Auch hier gibt es erfahrungsgemäß massive Vorbehalte des Top-Managements, einfach mal so das Unternehmen für einen oder zwei Tage stillzulegen. Selbstverständlich muss das Großkaizen vorher gut geplant werden und natürlich gibt es auch eine Notbesetzung in einigen Bereichen. Doch dies ist alles steuerbar. Viel wichtiger ist der Sprung in die Entscheidung hinein.

In der Regel verliert eine Organisation die Mitarbeiter viel leichter dadurch, dass eben nicht geführt wird.

Großkaizen als Motivationsfreisetzung

Dabei kann das Großkaizen eine enorme Wirkung haben. So bekommt wirklich jeder Mitarbeiter mit, dass etwas passiert, dass eine Veränderung stattfindet und dass eine neue Zeit angebrochen ist. Die meisten Mitarbeiter freut dies, denn fast immer herrscht eine große Frustration, weil zu lange nichts passiert ist. Führung hatte einfach nicht oder nur sporadisch stattgefunden.

Großkaizens wirken wie eine Befreiung auf die Organisation.

Hier haben Führungskräfte häufig eine enorme Angst vor ihren Mitarbeitern, geprägt von Glaubenssätzen wie „Nicht, dass jemand meine Überforderung mitbekommt …“, „Natürlich muss ich als Führungskraft zu allem meine Meinung äußern“, „Wir werden die Mitarbeiter verlieren“. Falsch! In der Regel verliert eine Organisation die Mitarbeiter viel leichter dadurch, dass eben nicht geführt, kein Risiko eingegangen wird und sich einfach nichts entwickelt.

Großkaizens wirken wie eine Befreiung auf die Organisation. Sie motivieren die Mitarbeiter, die großteils die Veränderung wollen, und zeigen den Entscheidern ganz deutlich als intensiv wahrnehmbare Reaktion aus dem Betrieb, dass es gut ist, nach vorne zu gehen und die Dinge anzupacken. Sie spüren den Rückhalt und genau dieser gibt die Kraft zu weiteren Entwicklungen.

 

Führung ist kein reines Machtinstrument

Denn Führung ist im Lean Management nicht ein reines Machtinstrument, sondern Führung ist gesteuert aus den Bedarfen und Notwendigkeiten von Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und der Organisation. Dabei kommt es auf methodenbasierte Entscheidungen auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten an, die eben keine reinen Bauchgefühle nach der Emotion und dem Gusto Einzelner sind, sondern entscheidungskompetent, entschlossen, kommunikativ und wertebasiert.