Überblick

 

Die FMEA ist eine Methode zur proaktiven und methodischen Reduktion von Fehlerpotentialen. Der Begriff FMEA kommt ursprünglich aus dem Englischen und steht dort für „Failure Mode and Effects Analysis“, was im Deutschen häufig mit „Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse“ übersetzt wird. In einer FMEA werden mögliche Fehler methodisch identifiziert, priorisiert und mit Gegenmaßnahmen eingedämmt, bevor sie überhaupt entstehen können.

 

Entwickelt wurde die FMEA-Methode in den 1960ern bei der NASA im Rahmen des Apollo-Projekts. Ihre seitdem genutzten Anwendungsgebiete sind extrem vielfältig. Im Qualitätsmanagement lässt sich die FMEA zur vorbeugenden Fehlervermeidung und Erhöhung der technischen Zuverlässigkeit beispielsweise von Anlagen nutzen. In der Produkt- oder Prozessentwicklung findet eine FMEA häufig Anwendung in der Design- beziehungsweise Entwicklungsphase und dient dort der Identifikation und Bewertung potentieller Fehlerursachen sowie der Vermeidung von Fehlerfolgekosten. Darüber hinaus sind mit Hilfe einer FMEA beispielsweise an einer Produktionsanlage potentielle Ausfallgründe der Anlage zu identifizieren und proaktiv Gegenmaßnahmen anzugehen.

 

Neben den bekannten klassischen Anwendungsgebieten wie Produkten oder Prozessen lässt sich eine FMEA auch sehr erfolgreich für andere Themengebiete – gerade auch im Bereich der „soften“ Themen – zur Früherkennung und proaktiven Vermeidung von Risiken nutzen. So hilft zum Beispiel eine Führungs-FMEA dabei, frühzeitig zu erkennen, welche Fallstricke im Rahmen einer Transformation auf die Führungskräfte warten und mit welchen Maßnahmen sie das spätere Stolpern über diese Fallstricke bereits heute vermeiden können.

 

 

Konzept

 

Das Vorgehen in der Anwendung beziehungsweise der Erstellung einer FMEA besteht aus drei übergeordneten Schritten: erstens der Identifikation möglicher Fehlerursachen, zweitens einer Risikobewertung dieser möglichen Ursachen mit Hilfe der sogenannten Risikoprioritätszahl und drittens der Ableitung von Gegenmaßnahmen. Die Ergebnisse dieser Schritte werden dabei meist in einer großen Tabelle zusammengefasst.

 

Schritt eins bei der Erstellung einer FMEA besteht in der umfassenden Identifikation aller möglichen Fehlerursachen, die zu betrachten sind. Wichtig ist hierbei das Schlagwort „umfassend“, denn hier geht es um Quantität. Gerade auch die abwegig erscheinenden Themen benötigen eine Betrachtung und müssen daher hier mit aufgenommen werden. Verschiedene Methoden wie zum Beispiel Visualisierung, Brainstorming, eine Strukturanalyse oder auch das Ishikawa-Diagramm helfen dabei, das zu betrachtende Thema wirklich sauber und umfassend aufzuschlüsseln. So kann zum Beispiel ein Produkt mit einer Strukturanalyse gedanklich in verschiedene Baugruppen, Bauteile und Einzelkomponenten zerlegt und damit strukturiert für jede Einzelkomponente nach möglichen Fehlern gesucht werden – ganz nach der Leitfrage: „Was kann hier schiefgehen?“ Anschließend wird zu jedem möglichen Fehler dessen Wirkung benannt und die zugehörige Fehlerursache abgeleitet.

 

Ist die Auflistung möglicher Fehlerursachen erfolgt, geht es im zweiten Schritt an ihre Risikobewertung. Hier kommt die sogenannte Risikoprioritätszahl zum Einsatz, welche es ermöglicht, die identifizierten Fehlerursachen in eine Rangfolge zu bringen. Die Risikoprioritätszahl (RPZ) ergibt sich als Produkt aus den drei Größen

 

  • „Fehlerbedeutung“ (B),
  • „Auftretenswahrscheinlichkeit“ (A) und
  • „Entdeckungswahrscheinlichkeit“ (E):

 

RPZ = B x A x E

 

Zur Berechnung benötigt es demnach zu jeder einzelnen zuvor identifizierten Fehlerursache eine Einschätzung zu diesen drei Größen.

  • Fehlerbedeutung meint dabei die Kritikalität beziehungsweise Schwere der Fehlerfolge aus Sicht des Kunden und wird von 1 (niedrig) bis 10 (hoch) abgeschätzt.
  • Die Auftretenswahrscheinlichkeit gibt an, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Fehlerursache auch wirklich auftritt, und wird zwischen 1 (gering) bis 10 (hoch) geschätzt.
  • Mit der Entdeckungswahrscheinlichkeit wird abgeschätzt, wie wahrscheinlich es ist, dass der Fehler vor der Übergabe an den Kunden entdeckt wird. Hier erfolgt die Angabe zwischen 1 (hoch) und 10 (gering). „Kunde“ kann dabei je nach Anwendung der FMEA sowohl einen internen als auch einen externen Kunden meinen.

 

Somit ergeben sich für die RPZ Werte zwischen 1 und 1.000, wobei eine höhere RPZ eine höhere Risikopriorität und damit höhere Kritikalität suggeriert.

 

Im dritten und letzten Schritt der FMEA geht es um die Entwicklung von Gegenmaßnahmen zu den identifizierten möglichen Fehlerursachen. Dabei sind präventive Maßnahmen zur Vermeidung des Fehlers immer solchen Maßnahmen vorzuziehen, welche lediglich die Entdeckung des Fehlers fördern und damit nur korrektiv wirken. Letztere erhöhen zwar die Entdeckungswahrscheinlichkeit und senken dadurch die Risikopriorität des Fehlers, setzen dies in der Praxis jedoch häufig durch zusätzliche Prüf- oder Inspektionsschritte im Prozess um.

Wesentlich zielführender und vor allem schlanker ist es, stattdessen Maßnahmen zu finden, durch welche das Auftreten des Fehlers von vorneherein unterbunden wird.

 

Bei der Umsetzung der identifizierten Gegenmaßnahmen hilft es, wenn diese als kontinuierliche Verbesserung im Rahmen einer Multimaßnahmensteuerung bearbeitet und entsprechend gesteuert werden. Damit gehen einmal gesammelte Ideen nicht verloren, sondern lassen sich gemäß Priorität auch nacheinander abarbeiten.

 

Wichtige Erfolgshebel in der Erstellung einer FMEA sind eine möglichst crossfunktionale Teamzusammensetzung, eine bewusst umfangreiche Sammlung von Fehlermöglichkeiten zu Beginn sowie eine methodische und ungeschönte Bewertung dieser Fehlermöglichkeiten.

 

 

Mehrwert

 

Die FMEA ist ein wirksames Tool zur Vermeidung nachträglicher Korrekturen an Produkten, Anlagen oder Prozessabläufen. Fehlerkosten, Garantiekosten, Kosten für Korrekturmaßnahmen oder auch Kosten für die Reparatur von Fehlerfolgen lassen sich damit erfolgreich vermeiden.

 

Auch ermöglicht die FMEA, notwendige Kontrollen und Prüfschleifen im Regelbetrieb auf ein Minimum zu verringern. Qualität auf einem hohen Niveau lässt sich damit auch ohne aufwendige Kontroll- oder sogar Nacharbeiten wirksam absichern, indem präventive Maßnahmen aus einer FMEA umgesetzt werden.

 

Dank ihrer im Grundsatz einfachen Struktur ist die FMEA geeignet, auch beliebig komplexe Szenarien zu erfassen und zu bewältigen. Dadurch ist sie für verschiedenste Themengebiete anwendbar. Die volle Kraft der Methode entfaltet sich insbesondere dann, wenn sie mit weiteren Methoden zur Identifikation möglicher Fehlerursachen, wie zum Beispiel dem Ishikawa-Diagramm, kombiniert wird.