Überblick

Die verschiedenen Management-Prozesse innerhalb einer Supply Chain können nicht allgemeingültig und übergreifend definiert werden. Vielmehr sind sie je nach Struktur der Supply Chain und den diesbezüglich eigenständig und kooperativ handelnden Akteuren bzw. Unternehmen unterschiedlich zu bestimmen. Gleichwohl lassen sich hier vergleichbare Kernprozesse identifizieren, die es erlauben, entsprechende Referenzrahmen zu definieren, auf deren Basis dann die  Leistungsfähigkeit entsprechender Supply Chain-Prozesse unternehmensspezifisch analysiert, optimiert und mit der Performance anderer Unternehmen vergleichen werden kann.

Ein diesbezügliches Standardmodell zur strukturierten Erfassung und Untersuchung einer Supply Chain stellt das „Supply-Chain-Operations-Referenzmodell“ (SCOR-Modell) dar. Das Modell geht auf die Arbeiten des Supply Chain Council (SCC) Mitte der 1990er Jahre zurück und fast Best Practice Lösungen von damals 69 Unternehmen verschiedener Branchen zusammen. Das inzwischen über 1.000 Mitglieder starke SCC hat es sich zum Ziel gesetzt, das SCOR-Modell kontinuierlich fortzuentwickeln und weiter zu etablieren.

Konzept

Im Sinne eines ganzheitlichen Referenzmodells bezieht sich das Konzept auf sämtliche Prozesse, die für ein Unternehmen innerhalb einer Supply Chain relevant sind. Die Prozesse werden dabei vier unterschiedlichen Aggregationsebenen zugeordnet, wobei der Detailierungsgrad mit jeder Ebene zunimmt. Im Gegenzug nimmt das Abstraktionsniveau kontinuierlich ab, so dass das Prozessdesign zunehmend unternehmensspezifischer zu definieren ist. Im Einzelnen besteht das SCOR-Modell aus den folgenden Ebenen:

  • Ebene 1: Auf der „Top-Level-“ oder „Hauptebene“ werden Umfang und Inhalt der Supply Chain identifiziert, wobei das SCOR-Modell auf dieser Stufe die fünf Hauptprozesse Planen, Beschaffen, Herstellen, Liefern und Rückgabe definiert.
  • Ebene 2: Der „Configuration-Level“ („Konfigurationsebene“) beschreibt eine Tool-Box in der verschiedene Standardmodule zur Konfiguration der Supply Chain enthalten sind. In diesem Sinne werden die Hauptprozesse der ersten Ebene jeweils in unterschiedliche Teilprozesse aufgesplittet, die unternehmensspezifisch auszuwählen und zu konkretisieren sind. Auf diese Weise können Unternehmensprozesse individuell konfiguriert werden.
  • Ebene 3: Auf dieser Stufe des „Process-Element-Levels“ („Gestaltungsebene“) werden die Teilprozesse der zweiten Ebene in weitere Prozesselemente zerlegt. Dabei wird die Leistungsfähigkeit dieser Elemente anhand mehrerer Leistungsmerkmale (z.B. Kosten) über entsprechend zugeordnete Kennzahlen (z.B. Garantiekosten, Anzahl der Produktionsbeschäftigen, Wertschöpfung) ermittelt.
  • Ebene 4: Der „Implementation-Level“ („Implementierungsebene“) ist aufgrund einer Reihe, insbesondere auch branchenspezifischer, Besonderheiten flexibel an den konkreten Einzelfall des betrachteten Unternehmens anzupassen. Hier geht es um die Implementation der hinter den Prozesselementen der dritten Ebene stehenden Einzelaktivitäten (z.B. Preiskalkulation, Definition von Lieferterminen und –routen).

Mehrwert

Trotz seines zunächst relativ hohen Abstraktionsniveaus leistet das SCOR-Modell eine zielführende Unterstützung hinsichtlich der Standardisierung von Prozessabläufen innerhalb einer Supply Chain. Durch die Identifikation prozessrelevanter Kennzahlen können unternehmensübergreifend die richtigen Stellschrauben gedreht werden, um die Leistungsfähigkeit der Supply Chain sowie deren Glieder auf der Basis einer kritischen Prüfung der Ist-Situation zu optimieren. Auch wenn diesbezüglich theoretisch die Gefahr ungewollter Wissenstransfers befürchtet werden kann, sollte das gemeinsame Wissen und die Vorteile eines gegenseitigen Lernens voneinander („Best-Practice“-Ansatz) das Klima unter den Beteiligten der Supply Chain positiv bestimmen.