Es muss sich etwas ändern im Banking! Denn die Privat- und Geschäftskundenbanken glänzen schon wieder mit ihrer Vorkrisen-Überheblichkeit. Man könnte meinen, dass nichts gewesen wäre – keine Bankenrettung, keine Bad Banks, keine Spekulationsblasen. Genau wie anderen alt eingesessenen Organisationen ist selbstverständlich auch den Banken eine gewisse Trägheit inhärent. Problematisch wird es für die Organisationen nur, wenn den Kunden langsam Alternativen erwachsen.

Im Fall der Banken sind dies zum einen die Startups der FinTec-Branche, die mit digitalen Lösungen einfachen und standardisierbaren Bankprodukten an den Kragen gehen. Gerade in diesem Bereich wird es der Bankenbranche so ergehen, wie es der Markt für KfZ-Versicherungen erlebt hat: Die Margen in diesem Segment sind heute vergleichsweise gering und kein Versicherungsmakler hat noch Interesse am Verkauf dieser Produkte. Die Banken können dieser Entwicklung nur schlanke Prozesse und einen extrem kundenorientierten Service entgegenhalten.

Im Bereich der klassischen Finanzierung stehen die Banken ebenfalls vor einem wachsenden Marktdruck. Nehmen wir mal das Beispiel der Gründungsfinanzierung: Hier liegen die Annahmequoten von Kreditanträgen je nach Institut teils deutlich unter 30%. Ist es nicht die volkswirtschaftliche primäre Aufgabe von Banken, der Wirtschaft ausreichend Liquidität zur Verfügung zu stellen? Doch auch hier zeichnen sich Alternativen ab: Crowd – Funding und Venture Capital werden immer beliebter. Die Bank ist heute längst nicht mehr der erste Ansprechpartner in Sachen Gründungsfinanzierung. Hinzu kommt eine immer größere Transparenz der Konkurrenzangebote, z.B. über Plattformen zum Vergleich von Immobilienkrediten.

Geldvernichtung durch einen mangelhaften Fokus auf die Customer Experience

Höhere Produkttransparenz und somit eine bessere Vergleichbarkeit, umfassend informierte Kunden, Kostendruck insbesondere bei Standardprozessen und eine Servicementalität von vorgestern – Das sind nur einige Faktoren der aktuellen Herausforderungen im Banking. Viele Prozesse und Strukturen werden als alternativlos hingestellt. Oder die böse Regulierung der Politik ist mal wieder an allem schuld. Wessen Verhaltensweisen und fragwürdigen Handlungen haben denn die Regulierungen erst notwendig gemacht? Es wird im Detail zu wenig hinterfragt:

  • Muss der Kunde wirklich direkt selbst mit einer arroganten und unfreundlichen Kreditabteilung sprechen, statt einen Ansprechpartner für alle Belange zu erhalten?
  • Ist es wirklich notwendig, einen Bankberater mehrere Stunden täglich mit Freigaben und Formulare zu beschäftigen, anstatt ihn sich um die wirklichen Belange der Kunden kümmern zu lassen?
  • Wie kann es sein, dass die meisten Banker noch nicht einmal von einer Persona gehört haben, wohin gegen dieses Werkzeug zum besseren Kundenverständnis in der IT-Branche an allen Wänden hängt?

Übertrieben und unrealistisch? Nein, leider nicht. Als Anbieter von Managementseminaren bekommen wir durch unsere Teilnehmer viele Impulse aus der Wirtschaft und dadurch einen guten Eindruck vom Puls der Zeit. Es wird sich schlicht und einfach zu viel mit sich selbst beschäftigt, statt den Kunden und dessen „Customer Experience“ in den Fordergrund zu setzen.

Das Fatale ist nur, dass die Banken ihren Ansehensverlust in den meisten Fällen noch gar nicht bemerkt haben. Dabei rollt eine Welle der Veränderung auf diese Industrie zu. Die Frage ist also, ob die Transformation gelingen wird oder nicht. Es gibt genug historische Beispiele von Industrien, die einst stark und mächtig waren und heute nur ein Schatten ihrer selbst sind. Wer würde die Stahlindustrie noch als deutsche Schlüsselindustrie bezeichnen? Oder was wurde aus den einst so elitären Steuerberatern? Mittlerweile gibt es fast doppelt so viele Angehörige dieses Berufsstands wie noch vor 25 Jahren. Die Tagessätze schrumpfen und der Branche steht eine weitere Welle der Digitalisierung bevor. Es wird also Zeit, dass sich auch im Banking etwas bewegt. Disruptive Innovationen warten nicht auf die etablierten Marktakteure – Diese müssen schon selbst aktiv werden.

Es wird sich schlicht und einfach zu viel mit sich selbst beschäftigt, statt den Kunden und dessen „Customer Experience“ in den Fordergrund zu setzen.

Warum haben zum Beispiel alle Geschäfte längst bis 20.00 Uhr oder länger geöffnet und die Banken schließen Ihre Filialen häufig noch zur Mittagszeit? Diese Gewohnheit erinnert ein wenig an ein Dorfleben in den Achtzigern, als die ansässigen Drogerie- und Supermärkte von 12.00 bis 14.30 Uhr ihre Mittagspause machten, damit alle Angestellten zuhause kochen und essen konnten. Durch Flexibilisierungen und eine bessere Organisation haben diese Firmen es geschafft, die Kunden zur Mittagszeit nicht mehr vor geschlossene Türen zu stellen. Den Banken könnte eine großflächige Schließungswelle der Filialen bevorstehen, sollten sie ihre Kundenorientierung in Sachen Flexibilität nicht steigern. In Ansätzen hat dieses „worst-case“ – Szenario ja schon begonnen.

Zum besseren Kundenverständnis könnte man sich doch einfach mal auf eine Customer Journey, also der Reise des Kunden entlang des Produkts mit all seinen Berührungspunkten zwischen Bank und Kunde, begeben. Die Prozessbrüche und erschreckenden Kundenerlebnisse, die man entlang dieser Reise wahrnehmen wird, werden selbst den unflexibelsten Bankern die Augen öffnen. Genau hier können und müssen Banken ansetzen: weg von unnötiger und nicht wertschöpfender Bürokratie und hinzu einer stärkeren Kundenorientierung. Bleibt die Frage, ob der marktseitige Leidensdruck für die Banken tatsächlich so groß wird, dass eine Bereitschaft zur Veränderung entsteht?