Überblick

Produkte einer Produktfamilie, die auf dem Markt in unterschiedlichen Ausführungen erhältlich sind, werden als Varianten bezeichnet. Die verschiedenen Varianten basieren mithin auf einem gemeinsamen Grundmodell/-produkt und bestehen insgesamt aus weitgehend identischen Teilen oder Baugruppen, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich spezifischer Ausstattungs- und Zubehörmerkmale (z.B. unterschiedliche Fahrzeugvarianten in der Automobilindustrie, Bandbreite von Ausstattungsmöglichkeiten in der Computerindustrie). Durch die Möglichkeit, mehrere Produktvarianten zu bilden, können unmittelbar individuelle Wünsche des Kunden bedient werden. Erfolgskritisch ist dabei die Beantwortung der Frage, an welchem Punkt in der Supply Chain die Variantenbildung vollzogen werden soll. Dieser Punkt wird als „Variantenbildungspunkt“ bezeichnet.

Konzept

Die Festlegung des Variantenbildungspunktes kann nicht allgemeingültig erfolgen. Sie hängt vielmehr von den Merkmalen und Funktionsbedingungen der jeweiligen Supply Chain, der zugrunde liegenden Akteurskonstellation (Zulieferer, Hersteller, Händler, Endkunden etc.), der räumlichen Ausdehnung bzw. den Strukturen des Produktionsverbundes (regional, national, international) sowie der Verortung der Akteure innerhalb dieses Verbundes ab. Grundsätzlich ist der Variantenbildungspunkt jedoch so nahe wie möglich an den Kunden zu verlagern (Postponement).

Diese Empfehlung ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass sich die Nachfrage bezogen auf eine Produktfamilie insgesamt tendenziell valider bestimmen lässt, als mit Blick auf einzelne spezifische Varianten eines Produktes. Auch auf schwer prognostizierbare Schwankungen hinsichtlich der Nachfrage zugunsten einer bestimmten Produktvariante kann durch eine späte Variantenbildung adäquat reagiert werden, da die Produkte dann nachfragespezifisch auf der Basis des gemeinsamen Grundmodells variiert werden können. Indem dieses für alle Varianten gleiche Grundprodukt unmittelbar nach individuellen Kundenwünschen endmontiert werden kann, reduzieren sich die Lieferzeiten, da das bestellte Produkt bereits nahezu fertiggestellt im Lager vorhanden ist. Zudem können niedrigere Lager- und Sicherheitsbestände vorgehalten werden, da hier lediglich die aggregierte Nachfrage hinsichtlich der Produktfamilie bzw. des Grundprodukts insgesamt zu berücksichtigen ist.

Damit die Vorteile einer späten Variantenbildung zum Tragen kommen und die angebotene und/oder angestrebte Produktvarianz nicht doch im Endeffekt erhöhte Produktionskosten zur Folge hat, sollte gewährleistet sein, dass die einzelnen Varianten möglichst gleich aufgebaut und hinsichtlich der Montagereihenfolge so weit wie möglich einen parallelen Produktionsprozess durchlaufen. Dies kann durch Modulbauweise erreicht werden, indem einzelne Teile aus dem „Produktbaukasten“ erst möglichst am Ende des Produktionsprozesses dem Grundprodukt hinzugefügt werden. Unter Umständen kann es dabei sogar kostengünstiger sein, in das Grundprodukt höherwertigere Komponenten einzubauen, als dies für bestimmte Varianten erforderlich wäre. Hierdurch lässt sich die Modulanzahl reduzieren und die Herstellung insgesamt weiter standardisieren. Erfolgt die Variantenbildung ggf. erst beim Händler (z.B. Ausrüstung elektronischer Produkte mit länderspezifischen Anschlüssen/Steckern) und werden erst auf dieser Stufe einzelne Module eingebaut/montiert, ist zu berücksichtigen, dass hierdurch weitere Kosten (Lagerfläche, Montageanlagen, Qualifikation der Mitarbeiter etc.) entstehen können. Somit ist jeweils im Einzelfall zu bestimmen, ob die mit einem späten Variantenbildungspunkt verbundenen Kosten tatsächlich geringer sind, als die zu erzielenden Kosteneinsparungen.

Mehrwert

Über das Konzept der Variantenbildung kann die Orientierung eines Unternehmens am Markt erhalten und/oder gestärkt werden, indem individuellen Kundenwünschen prozessorientiert Rechnung getragen werden kann. Dabei ist die Verortung des Variantenbildungspunktes am Ende der Supply Chain anzustreben. Dies sichert grundsätzlich die Lieferfähigkeit (auch im Fall von Nachfrageschwankungen), reduziert die Lagerkosten und führt über den optimierten Anteil von Standardmodulen und -tätigkeiten insgesamt zu einer Effizienzsteigerung der Supply Chain.