Überblick
Das Phänomen der Erfahrungskurveneffekte beschäftigt sich mit der Generierung von Kostenvorteilen auf der Basis von spezifischem und produktbezogenem Erfahrungswissen, welches über mehrere Geschäftsjahre hinweg gewonnen, angewandt und verfeinert wurde. Der Erfahrungsschatz eines Unternehmens bzw. seiner Mitarbeiter wird somit zu einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil in den verschiedensten Unternehmensbereichen wie Forschung, Entwicklung, Produktion, Vertrieb und/oder Marketing.
Erfahrungskurveneffekte basieren dabei insgesamt auf der grundsätzlichen Annahme, dass die Stückkosten eines Produktes bei steigender Produktions- bzw. Absatzmenge (Output) tendenziell sinken. Die quantifizierbaren Output-Werte dienen hier demnach zur Operationalisierung von Lerneffekten bzw. des Faktors „Erfahrung“. Entsprechende Zusammenhänge zwischen Stückkosten und Output wurden in den 1960er Jahren von der Boston Consulting Group empirisch untersucht. Erfahrungskurvenanalysen besitzen seither einen prominenten Platz in der Tool-Box des strategischen Unternehmensmanagements. Im Unterschied zur Betrachtung von Skaleneffekten beziehen sich derartige Analysen auf mehrere Geschäftsjahre um eine entsprechend valide Basis für die Formulierung von Unternehmensstrategien zu schaffen.
Konzept
Das Konzept der Erfahrungskurveneffekte ist nicht statisch zu verstehen. Vielmehr muss hier von einem dynamischen Prozess des organisationalen Lernens ausgegangen werden. So optimieren Mitarbeiter ihr Handeln fortlaufend und prozessorientiert unter Berücksichtigung bereits gemachter Erfahrungen in der Vergangenheit. Vergleichbares gilt für die Organisationsebene: Hier ergeben sich als Summe der Erfahrungen des Einzelnen lern- bzw. erfahrungsinduzierte Optimierungen hinsichtlich der Aufbau- und Ablauforganisation, wodurch im Ergebnis kostenträchtige Schnittstellen und im Endeffekt Stückkosten reduziert werden können.
Die entsprechenden dynamischen Vorteile der Erfahrungskurveneffekte lassen sich – wie der Name nahelegt – in Form einer Kurve graphisch abbilden. Dabei werden auf der X-Achse die über die Geschäftsjahre hinweg kumulierten Output-Mengen und auf der Y-Achse die Stückkosten abgetragen. Die Kurve zeigt dabei an, in welcher Form sich die Stückkosten in Abhängigkeit vom Unternehmens-Output über einen bestimmten Zeitraum hinweg entwickeln. Dabei kann grundsätzlich beobachtet werden, dass (die inflationsbereinigten) Stückkosten des analysierten Produkts im Zuge jeder Verdoppelung des kumulierten Outputs um einen bestimmten Prozentsatz einigermaßen konstant zurückgehen. Empirische Studien ergeben hier üblicherweise Kostenrückgänge zwischen etwa 20 bis 30%. Diese sind als Richtwerte zu interpretieren und drücken demnach zunächst lediglich das theoretische Potential für entsprechende Kostensenkungen aus.
Damit diese Potentiale in der Praxis im konkreten Einzelfall realisiert werden können, muss der bei den Mitarbeitern und in der Organisation vorhandene Erfahrungsschatz konsequent und umfassend im Sinne der Output-Optimierung handhabbar gemacht werden. Dies stellt gerade auch in langfristiger Perspektive entsprechende Anforderungen an ein nachhaltig angelegtes Wissens- und Personalmanagement, um individuelle Erfahrungen des Einzelnen im Sinne der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens insgesamt nutzbar zu machen.
Mehrwert
Der besondere Mehrwert des Konzepts der Erfahrungskurveneffekte ergibt sich aufgrund der wie folgt zu beschreibenden Ganzheitlichkeit: Die Erfahrungskurve erlaubt die Analyse von Kostenentwicklungen über mehrere Geschäftsjahre hinweg. Dabei beschreibt sie zum einen den IST-Zustand und setzt diesen ins Verhältnis zu entsprechenden Entwicklungen in der Vergangenheit. Auf Basis der dabei einschlägigen Ergebnisse lässt das Konzept zudem Aussagen über die zukünftige Entwicklung von Kostenvorteilen zu. Anhand der ermittelten Erfahrungskurven kann demnach insgesamt nachhaltig die strategische Aufstellung (Investitionsentscheidungen, Preispolitik etc.) des Unternehmens ausgerichtet werden.