Immer wieder stellen wir fest: Auch heute noch steht der Businessplan im Fokus der Gründungslehre. Design Thinking? Lean Start Up? Pivotieren statt Planen? Das kann ja nur im Chaos enden! So ganz ohne Finanz-, Personal- und Marketingplan kann man doch kein Unternehmen gründen! Man muss doch Risiken analysieren und Strategien entwickeln, bevor man sich in den wilden Wirtschaftsmarkt stürzt!

Aus der Gründerszene wissen wir: planen ist gut – sich anpassen ist besser. Es gibt kein Start-Up, das sich wirklich 1:1 an seinen Businessplan hält. Denn es kommt doch immer anders als man denkt – auch wenn die Unternehmensstrategie noch so sorgfältig geplant ist. Also warum klammern sich immer noch so viele an das Konzept des unflexiblen Businessplans und denken in solch statischen Strukturen?

In ihrem (empfehlenswerten) Buch „Mindset: The New Psychology of Success“ analysiert Carol Dweck den Unterschied zwischen der statischen und der dynamischen Denkweise. Beim Lesen wird klar: Bei den deutschen Gründern überwiegen immer noch statische Denkstrukturen. Zur Veranschaulichung: Im Rahmen eines Tests werden vierjährige Kinder vor die Wahl gestellt, ein bereits fertiggestelltes Puzzle entweder noch einmal zu puzzeln oder ein schwierigeres Puzzle anfangen zu können. Dweck beobachtet unterschiedliche Reaktionen: Kinder mit statischem Denken möchten dasselbe Puzzle noch einmal wiederholen, denn „dies ist der sichere Weg, um keinen Fehler zu machen“. Kinder mit dynamischem Denken fragen entrüstet:

„Warum sollte ich das gleiche Puzzle noch einmal machen?“

Menschen mit statischem Denken gehen laut Dweck davon aus, dass Intelligenz angeboren sei. Eigenschaften, Talente und Fähigkeiten stehen im Mittelpunkt ihres Selbstbildes. Misserfolge müssen um jeden Preis vermieden werden. Ihre Energie setzen statisch denkende Menschen nicht etwa zum Lernen ein, sondern zum Schutz ihres Egos. Bei Menschen mit dynamischer Denkweise steht hingegen der Lernprozess im Vordergrund. Sie gehen davon aus, Intelligenz durch Lernen weiterentwickeln zu können. In einer Situation des Scheiterns fragen sie sich: „Wie kann ich es das nächste Mal besser machen?“ anstatt sich zu sagen „Ich bin wohl doch nicht so klug.“

Auch in der Wirtschaft gibt es Spiegelbilder dieser Denkstrukturen: Lee Iacocca zum Beispiel, brachte nach anfänglichen Erfolgen als CEO bei Chrysler, Jahr für Jahr die gleichen Modelle auf den Markt. Dabei wollte diese keiner mehr kaufen. Typisch für Menschen mit statischer Denkweise: Sie werden zu „nicht-Lernern“, da sie die Realität ausblenden und sich eine Welt erschaffen, in der sie keine Defizite haben. Statisch denkende Menschen können zwar hochbegabt sein, doch fehlt es ihnen oft an Fantasie und Kreativität. Sie handeln nach dem Motto: Was bisher funktioniert hat, funktioniert auch in Zukunft. Dass dynamisches Denken langfristig erfolgsversprechender ist, zeigt Dweck am Beispiel von Louis Gerstner während seiner Sanierung des IBM Konzerns. Als er begann, die Unternehmenskultur IBMs auf den Kopf zu stellen, bekam er zunächst heftige Kritik – immerhin stagnierte der Aktienkurs anfänglich. Die Kritiker verstummten dann rapide, als IBM wenige Jahre später wieder zum Marktführer wurde.

Zurück zum Gründen: Was für etablierte Unternehmen wichtig ist, ist für Gründungen existenziell. Ohne dynamische Reaktionen auf die Marktsituation, ist hier ein Scheitern der Geschäftsidee noch wahrscheinlicher. Und da auf den Businessplan alleine zu setzen, ist gefährlich. Denn Risiken können nie vollständig vorhergesagt werden, auch nicht von Hochbegabten. Dynamische Unternehmensgründungen setzen deswegen nicht die Talente ihrer Gründer in den Vordergrund, sondern den Lernprozess. Sie gehen weitaus konstruktiver mit gemachten Erfahrungen um, ob Erfolg oder Misserfolg.

Anstatt also viel Energie in einen starren Businessplan zu investieren, sollte die Unternehmensgründung mehr als ein Such- und Findungsprozess verstanden werden. Viel häufiger sollte auf agile Managementmethoden, wie SCRUM oder Lean Startup, zurückgegriffen werden. Denn diese finden längst nicht mehr nur in der Software-Industrie Anwendung. Sie helfen jedem Gründungsteam dabei fest im Sattel zu bleiben, sollten sich die Marktkonditionen mal wieder ändern.

Dies soll nicht heißen, dass Zielsetzungen völlig überflüssig werden. Visionen und Ziele sind durchaus wichtige Pfeiler für die interne und externe Unternehmenskommunikation. Und Achtung, agiles Pivotieren ist nicht mit chaotischem Durcheinander zu verwechseln! Agil bedeutet, in kurzer Zeit anpassungsfähig zu sein – an die gegebenen Rahmenbedingungen des Marktes und die Bedürfnisse der Kunden. Gegen Risiken, die man in einem Businessplan nur erahnen kann, wird bei agilem Projektmanagement „in Echtzeit“ angekämpft. Zum Beispiel mit einfachen Experimenten: Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen Frühstücks-Lieferservice gründen. Anstatt direkt mit einer kompletten Produktionslinie inklusive Gastro-Küche und kostspieliger Hygienerichtlinie zu starten, könnten Sie ihr Produkt zunächst in der privaten Küche, etwa mit einem Brunch-Event oder mit Lieferungen an den Bekanntenkreis ausprobieren. In einem zweiten Schritt könnten Sie sich in eine bestehende Restaurant-Küche einmieten, die morgens vom Inhaber selbst nicht genutzt wird. Durch Feedback-Prozesse können Sie die Produktpalette und den Service dann anpassen und verbessern. Erst nach ausreichend gesammelter Erfahrung müssen Sie so über eine Investition nachdenken. Probieren geht über Studieren! Anstatt beim Gründen den Fokus auf Produktdetails oder groß angelegte Konzepte zu legen (statisches Denken – bloß nicht Scheitern), sollte man sich vielmehr die Frage stellen, wie sich möglichst viele Experimente einfach und schnell umsetzen lassen (dynamisches Denken – wie kann ich am meisten dazulernen).

Probieren geht über Studieren!

Natürlich hängt dies auch immer von den Rahmenbedingungen der Gründung ab. Bei einer Existenzgründung kann der Businessplan als einzige Planungsstütze fatale Folgen haben. Bei einem Konzern, der „lediglich“ ein weiteres Werk aufbaut, können klare Standards und Verfahrensbeschreibungen das Gründen mit Sicherheit um einiges erleichtern. Allerdings handelt es sich hier dann vielmehr um eine Investition, als um eine tatsächliche Gründung.

Grundsätzlich gilt: Gründen ist ein iterativer Prozess. Der altbewährte Deming-Circle Plan-Do-Check-Act findet auch hier wieder seine Anwendung. Kleine wiederholte Experimente helfen, den Markt und verschiedene Strategien auszutesten. Und das nicht nur am Anfang der Gründung, sondern mit jeder neuen Investition. Denn ein heute funktionierendes Konzept kann schon in einem Jahr überfällig werden! Und auch wenn Ihre Idee scheitert – dynamisch denken. Denn ein echter Gründer wächst mit jeder Krise!

 

Weitere Impulse zum agilen Gründen finden Sie hier.