Überblick

Das Gefangenendilemma basiert auf Überlegungen der Spieltheorie. Im Kern geht es um das Verhalten von zwei Spielern, die jeweils einer eigenen Nutzenfunktion und der Nutzenmaximierung unterworfen sind. Daraus lassen sich mögliche Verhaltensweisen ableiten, erklären und vorhersehen. Das Gefangenendilemma hat für die Volkswirtschaftslehre im Rahmen der Institutionenökonomie große Bedeutung. In der Betriebswirtschaftslehre lassen sich mit dem Gefangenendilemma viele strategische Fragestellungen beantworten.

Konzept

Das Gefangenendilemma hat seinen Namen von dem einfachen Beispiel, auf dem es beruht. Angenommen, zwei mutmaßliche Straftäter werden gefangen genommen und getrennt von einander verhört. Jeder der Straftäter bekommt einen „Deal“ vorgeschlagen. Bei einem sofortigen Geständnis würde die Strafhöhe ein Jahr und für den anderen nicht geständigen Täter zehn Jahre betragen. Gestehen allerdings beide Straftäter nicht, so ist in diesem Beispiel mit einer Strafe von zwei Jahren zu rechnen, da man nicht alle vermuteten Taten nachweisen kann. Gestehen beide Strafttäter die Tat, so beträgt die Strafe jeweils drei Jahre.

Für beide Straftäter gemeinsam betrachtet, wäre die beste Strategie zu schweigen, da die Summe der Jahre im Gefängnis in diesem Fall am niedrigsten ist (2+2 = 4 Jahre). Dieses Verhalten bezeichnet man als Kooperation. Das Dilemma besteht aber nun darin, dass der Einzelne einen hohen Anreiz zum Geständnis hat (nur 1 Jahr Haft) und zudem aufgrund der getrennten Befragung nicht weiß, ob sein Mittäter geständig ist oder nicht (10 jähriges Haftrisiko). Obwohl es nun für beide besser wäre zu schweigen, werden beide Täter aufgrund der individuellen Auszahlungmatrix (Pay-Off-Matrix) gestehen. In diesem Fall spricht man vom Defektieren. Und somit stecken die Gefangenen in einem Dilemma.

Das sich hier einstellende Gleichgewicht wird nach dem amerikanischen Spieltheoretiker John Nash als Nash-Gleichgewicht bezeichnet. Das paradoxe am Gefangenendilemma ist, dass das Nash-Gleichgewicht nicht dem Pareto-Optimum entsprechen muss. Das Pareto-Optimum – beschrieben durch den italienischen Okonomen Vilfredo Pareto – besagt, dass sich kein Akteur mehr besser stellen kann, ohne dass sich ein anderer schlechter stellt. Und genau dies ist in dem vorliegenden Beispiel ja nicht der Fall, da sich beide Akteuere durch ein gemeinsames Schweigen (Kooperation) besser stellen könnten, da sie gemeinsam nur vier (2+2 = 4 Jahre) statt sechs Jahre (3+3 = 6 Jahre) Haft bekommen würden.

In der Praxis gibt es zahlreiche Anwendungsbeispiele. An dieser Stelle sei ein verbindliches Klimaschutzabkommen zur Senkung des CO2-Ausstoßes angeführt:

Auch wenn es Klimaforscher gibt, die einen Zusammenhang zwischen CO2-Ausstoß und Erderwärmung bezweifeln, soll dies hier nicht das Thema sein. Vereinfachend soll hier vielmehr davon ausgegangen werden, dass dieser Effekt besteht, da hier das Gefangenendilemma erleutert werden soll. So lässt sich auf allen Klimaschutzkonferenzen eine erstaunliche Abneigung gegen Maßnahmen für einen besseren Klimaschutz und für weniger CO2-Ausstoß erkennen. Hierauf kann das Gefangenendilemma eins zu eins übertragen werden. Alle Staaten hätten einen Vorteil durch die Kooperation aufgrund geringerer Klimafolgekosten. Allerdings gibt es für jeden Staat einen individuellen Anreiz sich nicht verbindlichen Kriterien zu unterwerfen, da man wirtschaftliche Vorteile erzielen könnte, wenn sich nur alle anderen Staaten am Klimaschutz beteiligen, man im eigenen Land aber die Industrie nicht mit weiteren Abgaben und Auflagen belastet. Außerdem würde bei eigener Defektion und Kooperation aller anderen Nationen immer noch das angestrebte Klimaschutzziel erreicht werden können, da sich die Atomosphäre nicht auf das eigene Territorium beschränken lässt. Somit ist es kein Wunder, dass sich eine weltweite, gemeinsame Klimaschutzpolitik als dermaßen kompliziert gestaltet.

Allerdings gibt es auch Gegenmaßnahmen zur Lösung des Dilemmas. So hängt der Spielausgang ganz entscheidend davon ab, ob das Spiel einmal oder mehrmals durchgeführt wird. Dies hängt damit zusammen, dass man den anderen Spieler nicht mehr zur Kooperation bewegen kann, sobald man selbst einmal defektiert hat. Eine andere Möglichkeit ist die Existenz einer übergeordneten Kontrollinstanz, die die Parameter der Auszahlungsmatrix ändert. So kann zum Beispiel die Europäische Union durch verschiedenste Zwangsmaßnahmen die einzelnen Mitgliedsstaaten zur Kooperation verpflichten und somit das Gefangegendilemma auflösen.

Mehrwert

Das Gefangenendilemma dient als Entscheidungshilfe und lässt sich auf viele unternehmerische Fragestellungen übertragen. Die zugrundliegende Pay-Off-Matrix bewirkt ein besseres Verständnis für mögliche Verhaltensmuster der Vertragspartner. Ein Beispiel sind hier Kooperationen zur Produktentwicklung. Hier ist es ganz entscheidend zu verhindern, dass nicht ein Partner sich auf Kosten des Anderen bereichert. Dies kann möglicherweise durch ein gutes Vertragswerk erreicht werden. Die alleinige Gefahr des Defektierens sorgt bereits dafür, dass nutzenbringende Transaktionen nicht durchgeführt werden. Daher ist die Betrachtung des Gefangenendilemmas auch im betriebswirtschaftlichen Umfeld von Bedeutung.